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Schneesport or not? Das Ski-Dilemma

Skifahren gehört in der Schweiz irgendwie dazu. Müssen Kinder im Jahr 2025 wirklich noch Skifahren lernen?
Kooperation
31 Jan 2025
Bilder — Unsplash, Sarah Pfäffli

Ich habe es gehasst als Kind. Die Kälte. Die schweren, engen Skischuhe. Der Stress am Lift. Die Picknicks mit eiskalten Sandwiches. Erst als Jugendliche, als ich das Snowboard entdeckte, fand ich Freude am Wintersport (die aber mehr mit der Jugendkultur drum herum zu tun hatte als mit dem Sport an sich). Dann fuhr ich jahrelang nicht mehr. Erst seit unsere Kinder grösser sind, habe ich plötzlich Wintersport-Fomo («fear of missing out»). Und es stellt sich mir die Frage: Sollten sie Skifahren lernen? Gehören sie nicht dazu, wenn sie es nicht können?

Denn trotz meiner eigenen unglücklichen Kindheitserinnerungen habe ich nämlich eine komplett romantisch verklärte Idee von Skiferien als Familie: Der Himmel ist blau, der Schnee pulverig, man fährt und fährt, und am Abend hängt man die Socken über der Heizung auf, kocht Spaghetti und spielt noch eine Runde Karten (und das natürlich auch, ohne dass jemand durchdreht).

Ein paar Mal haben wir es schon versucht mit dem Skifahren. Einige der Versuche glückten, das Kind fuhr ein paar mal eine Anfängerpiste herunter; andere endeten in Tränen und mit Frust bei allen. Es war lange Zeit ein bisschen wie beim Schwimmkurs: Irgendwie hatte ich als Mutter das Gefühl, das müssten einfach alle Kinder machen. Unser Kind weigerte sich, ich akzeptierte (anders als andere Eltern, die ihre Kinder stoisch auch weinend ins Hallenbad zwangen). Die Schwimmschule hat das teure Kursgeld nicht zurückbezahlt. Die Kinder schwimmen heute prima (dieses Interview half). Und ich stellte fest, dass «man muss» eine denkbar schlechte Erziehungsmaxime ist.

Ich stellte fest, dass «man muss» eine denkbar schlechte Erziehungsmaxime ist.

Nun ist schwimmen ja nicht skifahren. Muss man wirklich skifahren als Familie in der Schweiz? Ein bisschen fühlt es sich so an. Wenn in der Sportwoche gefühlt alle Familien ihre Autos packen und losfahren. Wenn die Schule einen Skitag organisiert und das eigene Kind eines von ganz wenigen in der Anfänger-Gruppe ist. Wenn sich im Februar auf Social Media die Fotos und Videos häufen, in denen schon Dreijährige gekonnt rumkurven und rotwangige Familien anscheinend glückliche Tage im Schnee verbringen. Wenn mir die Freundin erzählt, dass sie als «Jugo» ohne Vorkenntnisse damals immer nur in den Jeans schlittenfahren durfte, währenddem die Schweizerkinder im Skilager auf die Piste durften (das ist noch einmal eine ganz andere Diskussion, klar, es ist ja kein Zufall, sieht man fast nur weisse Familien auf der Skipiste).

Skifahren oder nicht ist auch eine Frage des Dazugehörens. Und Dazugehören wollen wir ja alle irgendwie.

Aber zu welchem Preis? Und zwar buchstäblich: Skifahren ist unglaublich teuer. Eine Woche Skiferien in der Schweiz kostet eine vierköpfige Familie im Jahr 2025 durchschnittlich 5604 Franken. Absoluter Wahnsinn. Wir haben zudem keine Ferienwohnung in der Familie, die wir günstig oder gratis benützen könnten, wie anscheinend so viele andere.

Eine Woche Skiferien in der Schweiz kostet eine vierköpfige Familie im Jahr 2025 durchschnittlich 5604 Franken.

Aber nicht nur der finanzielle Aufwand, auch die Zeit, die es in Anspruch nimmt, die Nerven, die es kostet, bis alle mal auf den Skis stehen: Ist es uns das wirklich wert? Hinzu kommen die Unfallrisiken: 61’000 Menschen verletzten sich jedes Jahr beim Skifahren oder Snowboarden, auf Schweizer Pisten sterben 5 Menschen pro Jahr. Schlitteln ist zwar auch nicht gerade ungefährlich (und schwimmen schon gar nicht). Ein Risiko, das es sich einzugehen lohnt? Vom Klima wollen wir hier gar nicht erst anfangen, das ist noch einmal eine ganz eigene Diskussion mit ihren ganz eigenen, komplett irrationalen Regeln (wer ohne Klimasünde sei, werfe den ersten Schneeball, ich weiss, aber hey, allein die Millionen Liter Wasser für die Beschneiung …).

Das intensive Naturerlebnis

Trotz allem: So viele lieben Schneesport. Wir haben auf Instagram gefragt, ob ihr Schneesport als Familie betreibt; etwa die Hälfte legte ein klares Ja ein, 30 % sagten nein, und der Rest konnte die Frage nicht so schwarz-weiss beantworten. Das ist natürlich keine repräsentative Sicht. In der Story (hier nachzuschauen) wurde aber klar, dass ich nicht alleine bin mit meinen ambivalenten Gefühlen und Gedanken hinsichtlich Wintersport. Ganz viele kennen sie. Jene, die Wintersport als Familie lieben, nennen als wichtigen Faktor das Alter der Kinder: So ab 5, 6 Jahren habe es angefangen, Spass zu machen, schrieben mehrere. Und dass es anfangs einfach anstrengend sei, sich aber später lohne – für das «intensive Naturerlebnis» und das gemeinsame Erlebnis mit den Kindern.

Uneinigkeit herrschte darüber, ob Skischule oder nicht; mehrere rieten dazu, weil beim Lernen mit einer nicht verwandten Person der ganze Erwartungsballast wegfalle. Eine ehemalige Skilehrerin bat aber darum, die Kinder nicht zu früh zu schicken (mindestens selber aufs WC sollten sie können). «Warten, nicht erzwingen», «kein Druck», immer einen Snack dabei haben – der Tipps gibt es viele. Die entscheidende Frage bleibt für mich aber: Sind wir als Eltern mega motiviert? Dann sind wir wohl auch gewillt, all den Aufwand auf uns zu nehmen, und können die Kinder mit unserer Begeisterung anstecken.

Die Kids können nichts dafür, wenn wir irgendwelche romantischen Vorstellungen haben.

Bei uns ist das definitiv nicht ausreichend der Fall. Und von den Kindern diesbezüglich irgendwie viel Eigenantrieb zu erwarten, erscheint mir der falsche Zugang. Wir müssen unsere Themen als Erwachsene selbst lösen. Die Kids können nichts dafür, wenn wir irgendwelche romantischen Vorstellungen haben.

Diesen Winter wurden wir von Saastal Tourismus zwei Nächte nach Saas-Fee eingeladen. Hier wollten wir es noch einmal versuchen mit dem Wintersport. Wir packten alles ein und fuhren los. Tatsächlich – in so einem schönen Wintersport-Örtchen bei perfekten Bedingungen begann auch ich zu verstehen, warum sich der ganze Aufwand lohnen kann. In Saas-Fee gibt es den Hannig, einen «Sonnenberg», wo man gar nicht skifahren kann, sondern nur Winterwandern, Schlitteln und im Schnee spielen. Dieser Ort war so versöhnlich: Man kann es auch schön haben im Schnee, ohne auf Brettern zu stehen! (Das märchenhafte Wetter half auch.) Wir badeten im Hallenbad, das zur modernern Jugendherberge gehört, ich entspannte in der Sauna und entdeckte dabei zwei Gämsen am gegenüberliegenden Berg. Wir assen Berge von Frühstück im Hotel und Berge von Käse abends im Restaurant.

Ein paar Momente Pistenglück

Und am letzten Tag schafften wir es dann tatsächlich noch. Wir hielten auf dem Rückweg in Saas-Almagell (das ist dort, wo Pirmin Zurbriggen herkommt). Wir nahmen den Zweier-Sessellift nach oben ins herzige Skigebietli, wo ein wahres Winterwunderland («Kians Abenteuerland») für Kinder ab ca. Schulalter betrieben wird: Tellerli-Lifte; eine Piste zum Snow-Tubing (auf so grossen Reifen im Schnee runtersausen); richtig laute Schneemobile für Kinder, für unsere Kids ein Traum. Hier hatten wir dann tatsächlich einige Momente, in denen wir alle vier auf der Piste standen und den Zauber des Wintersports ein wenig verstehen konnten.

Und diese paar Momente waren dann auch genug. Eine Schneesportfamilie werden wir wohl nie werden. Das ist auch ok so. Wenn die Kinder irgendwann von sich aus skifahren lernen wollen, dann werden wir das möglich machen. Bis dahin mache ich meinen Frieden damit, dass wir keine rotwangige, fröhliche Skifamilie sind. Denn auch ohne Bretter unter den Füssen kann es schön sein im Schnee. Und das reicht vollkommen. Möge mich nächsten Herbst bitte jemand daran erinnern, wenn mich die Pisten-Fomo wieder beschleicht.

* Vielen Dank für die Einladung ins schöne Saas-Fee geht an Saastal Tourismus.