Mein Sohn ist 19 Monate alt. Bevor er schlafen geht, darf er fernsehen. Sieben Minuten. So kurz sind die Trickfilme, die im «Guetnachtgschichtli» auf SRF 1 laufen. Mein Sohn liebt «Kater Miro». Er nennt das blaue Tier «Mimi». Mit dem «Giggelibug», einem Käfer aus Finnland, kann er nichts anfangen.
Es liegt, ein bisschen zugespitzt ausgedrückt, in der Macht von Marek Beles, was sich mein Sohn und im Schnitt etwa 20’000 andere Kinder im Land jeden Tag im Fernsehen anschauen. Der 41-jährige Regisseur und Produzent ist bei Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) im Bereich Junge Zielgruppen für das «Guetnachtgschichtli» zuständig. «Mascha und der Bär», «Flapper & Fründe», «Alphons de blau Drache», und, und, und. 260 fünf- bis siebenminütige Filme verantwortet Beles pro Jahr. Jeweils 26 sind neu, der Rest Wiederholungen. Sprechen die Figuren, werden die Episoden auf Schweizerdeutsch synchronisiert. Den Job übernehmen in der Regel Schauspieler. Bei «Kater Miro» zum Beispiel ist die Stimme von Fabienne Hadorn zu hören, die als Spurensicherungschefin Corinna Haas aus dem Schweizer «Tatort» bekannt ist.
Es gibt strenge Kriterien, die eine Trickfilmreihe erfüllen muss, damit sie «Guetnachtgschichtli» werden kann. Wichtig ist SRF, dass in den Filmen klassische Geschichten erzählt werden, denen schon 3-Jährige folgen können. Es darf keine bösen Figuren geben, Gewalt ist tabu. Die gezeichneten, computeranimierten oder modellierten Helden werden dafür mit alltäglichen Problemen konfrontiert, die sie selbst lösen können. Das Bärenmädchen Bea zum Beispiel hat in einer Folge von «Kater Miro» einen fürchterlichen Schluckauf. Ihre Freunde versuchen, ihr zu helfen. Mit allen möglichen und unmöglichen Mitteln.
Hilfsbereitschaft, respektvoller Umgang zwischen Mensch und Tier, die Bedeutung von Freundschaften: Das «Guetnachtgschichtli» vermittelt klassische Werte. Edukative Formate dagegen, zum Beispiel Farben- oder Zahlenlernfilmchen, sind keine «Gschichtli» und kommen deshalb für die Sendung nicht in Frage.
Er habe das ideale Testpublikum zu Hause, sagt Marek Beles, der Herr über das «Guetnachtgschichtli». Seine 3-jährige Tochter dürfe sich jeden Tag zwei Folgen zu Gemüte führen. Und sie komme jeweils in den Genuss, sich neue Serien anzuschauen, bevor sie ins Programm aufgenommen werden. Den «Giggelibug» habe sie zuletzt sehr gut gefunden.
Wenn im «Guetnachtgschichtli» eine neue Serie anläuft, bekommt Beles Feedback. Mit Abstand am meisten lese er in E-Mails von Eltern und Grosseltern, dass sich Kinder wegen einzelner Szenen fürchten. In solchen Fällen visioniert er die beanstandete Folge, die er bereits als unbedenklich eingestuft hat, noch einmal. Es kommt vor, dass er eine Episode «sperrt», wie er sagt. Sie wird dann nicht mehr gezeigt, wenn die Serie wiederholt wird. Im März gerade hat er eine Episode von «Shaun das Schaf» aus dem Programm genommen, in der es im Schafstall spukt. Die dramatische Musik und die Darstellung eines geschnitzten Kürbiskopfs haben einige Kinder verängstigt. Meistens seien es ganz banale Dinge, die zur Sperrung einzelner Folgen führten, sagt Beles. Dinge, von denen man als Erwachsener nie vermuten würde, dass sie furchteinflössend sein könnten. Seine Tochter zum Beispiel habe sich selten so gefürchtet wie in jener «Giggelibug»-Szene, in der ein Bär von Mücken gestochen wird.
Beles erfährt regelmässig die aktuellen Einschaltquoten für das «Guetnachtgschichtli». Um die 20’000 Zuschauer schauen sich die Filmchen an, der Marktanteil beträgt zwischen 3 und 5 Prozent. Und nicht jede Serie kommt gleich gut an: «Kater Miro» zum Beispiel lockte 2016 im Schnitt halb so viele Zuschauer vor den Fernseher wie der russische Welterfolg «Mascha und der Bär» (siehe Hitliste). Das bedeute aber nicht, dass «Miro» nun aus dem Programm gekippt werde, sagt Beles. Quoten seien für das «Guetnachtgschichtli» nicht relevant. «Viel wichtiger ist das Feedback der Eltern.»
Also, Herr Beles: Ich versuche gerade, meinem Sohn «Shaun das Schaf» schmackhaft zu machen, weil diese Reihe wirklich wunderschön gemacht und wirklich lustig ist. Ein bisschen angefixt ist mein Sohn schon. Vor dem Schlafengehen sagt er «Fasch» und meint damit das Schaf. Wir gucken uns eine Episode an. Dann sagt er: «Mimi». Er sagt es sehr bestimmt.
Wir schauen jetzt jeden Tag zwei Folgen «Guetnachtgschichtli».
Das «Guetnachtgschichtli» läuft werktags um 17.30 Uhr auf SRF 1. Zeitversetzte Nutzung wird empfohlen.
SRF empfiehlt ausdrücklich, Kinder bis 6 Jahre ausschliesslich in Begleitung fernsehen zu lassen. «Es ist uns wichtig, dass Eltern mitschauen, die Fragen beantworten oder bei Szenen, die den Kindern nicht gefallen, reagieren können», sagt Marek Beles. «Kinder im Vorschulalter können noch nicht zwischen Fiktion und Realität unterscheiden. Alles was auf dem Bildschirm läuft, findet unmittelbar im Wohnzimmer statt!»
«Guetnachtgschichtli»-Reihen 2016; TV-Zuschauer über 3 Jahre
Quelle – Mediapulse/SRF
Alle «Guetnachtgschichtli» 30 Tage zum Nachschauen – www.srf.ch