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Die Rettung vor dem Verderben

Kinder sind schwierige Esser. Kein Wunder, verursachen Familien viel Lebensmittelabfall. 11 Tipps gegen Food Waste.
25 Sep 2019
Bild — CinCin

/ Reprise / Dieser Beitrag erschien erstmals im August 2017

Mirko Buri kennt das Problem von daheim. «Eine Weile lang will er nur Pasta mit Tomatensauce essen. Und von einem Tag auf den anderen überhaupt nicht mehr.» Der Koch spricht von seinem 4 1/2-jährigen Sohn. Bei solch unberechenbaren Essern wie Kleinkindern weiss auch der Gründer des ersten Food-Waste-Restaurants der Schweiz in Köniz kein Patentrezept. Aber der Autor des Buches «Restenlos glücklich» hat doch einige praktische Tipps parat, wie sich in Familienhaushalten Food Waste vermeiden lässt.

Denn wer meint, der grosse Lebensmittel-Abfallberg sei nur ein Problem der Industrie und Grossverteiler, der täuscht sich: 45 Prozent der Lebensmittelabfälle fallen in Privathaushalten an, wie Dominique Senn von foodwaste.ch erklärt, einem Verein, der sich mit unterschiedlichen Projekten gegen Food Waste engagiert. Auch die Gesamtmenge ist erschreckend: Ein Drittel aller Lebensmittel in der Schweiz wird weggeschmissen! Das meiste davon ist Frischgemüse, Kartoffeln und Brot. Wer noch nie einen Broccoli in der Gemüseschublade vergessen hat, werfe den ersten Stein …

Nun: Man muss ja nicht grad zum Öko-Extremisten werden, um etwas gegen diesen Abfallberg zu tun. Schon simple Angewohnheiten können helfen, die Lebensmittelabfälle zu reduzieren. Wir haben Mirko Burri und Dominique Senn um Tipps für die Reduktion von Food Waste gebeten – und ein paar eigene Erfahrungen einfliessen lassen. Hier 10 Schritte, um weniger Lebensmittel wegzuschmeissen:

  • Schlau einkaufen
    Das kingt jetzt bünzlig, aber der Wocheneinkauf ist eine grosse Hilfe bei der gescheiten Menüplanung. Wer sich im Voraus überlegt, was er genau zu kochen plant, und eine Liste schreibt, kauft weniger spontan Zutaten, die dann nicht verwendet werden. Ausserdem: Vor dem Einkauf Kühl- und Vorratsschrank studieren, damit nicht überflüssigerweise noch Vorhandenes zur Sicherheit nachgekauft wird. Wir schwören zudem auf die Gratis-App Brings!, einen mobilen Einkaufszettel zum Teilen, denkbar einfach und sehr hilfreich.
  • Lokal einkaufen
    Wer beim Metzger oder Bäcker im Quartier oder eben auf dem Märit einkauft, hat nicht nur die Möglichkeit, auch mal Kleinstportionen zu posten. Sondern wird durch das weniger breite Angebot auch weniger Zusatzkäufen verführt. Und die persönliche Bindung zum Produzenten erhöht die Wertschätzung vor dem Produkt: Wem bewusst ist, dass jemand dieses Lebensmittel mit eigenen Händen hergestellt hat, der geht weniger leichtfertig damit um.
  • Aktionen widerstehen
    Es hilft zu wissen: Die leuchtenden Aktions-Schilder im Grossverteiler aktivieren das Belohnungszentrum in unserem Hirn; wir können gar nicht anders, als zuzugreifen. In den meisten Fällen sparen wir dabei aber gar nicht wirklich, sondern kaufen etwas, das wir ursprünglich gar nicht wollten, einfach zu einem günstigeren Preis. Letztlich geben wir also mehr Geld statt weniger. Aktionen deshalb nur bei Dingen berücksichtigen, die man ganz sicher ohnehin immer wieder konsumiert. 
  • Fixe Menütage planen
    Sich jeden Tag ein Menü auszudenken, ist manchmal extrem mühsam. Da steht man vor dem Gemüseregal im Coop und ist einfach nur uninspiriert. Abhilfe schaffen fixe Menütage: Bei uns gibts am Sonntag seit einiger Zeit immer Pizza zum Abendessen. Dazu laden wir auch gerne mal jemanden ein. Es ist soo entspannend, beim Einkaufen am Samstag eine Mahlzeit weniger planen zu müssen, weil sie einfach schon fix ist. Das liesse sich ausbauen – Suppen-Samstag, Teigwaren-Donnerstag, Fisch-Freitag … Auch ein wöchentliches Restenbuffet, an dem sämtliche Reste aufgetischt werden, ist eine gute Option. Auf «Cup of Jo» gabs zudem mal ein tolles Rezept für einen Eintopf, den diese Familie immer am «Casserole Monday» zubereitet, und der nebenbei wunderbare Restenverwertung ermöglicht:
    – In einen Gusseisentopf kommt zuunterst eine Lage mit Olivenöl und Brot (gern auch altes)
    – Schicht für Schicht kommen nun Gemüse, Kräuter und alle möglichen Proteine in den Topf. Das kann wirklich alles sein: Zwiebeln, Knoblauch, Broccoli, Kartoffeln, Lauch, Zucchini, Tomaten, gebratenes Poulet, Eier …
    – Laufend mit Salz und Pfeffer würzen.
    – Am Schluss etwas Milch dazugeben und mit einer Schicht Käse bedecken.
    – Für eine Stunde bei ca. 200-220 Grad in den Ofen.
    Wir habens getestet – es schmeckt tatsächlich!
     
  • Richtig lagern
    Oh, hier lässt sich so viel falsch (oder eben: richtig!) machen. Zum Beispiel: Stark wasserhaltige Lebensmittel sollten nicht im Kühlschrank aufbewahrt werden, weil sie an Geschmack verlieren oder rascher verderben, dazu gehören Gurken und Tomaten; aber auch Kartoffeln, Zwiebeln und Knoblauch haben im Kühlschrank normalerweise nichts verloren (ausser, es ist sehr heiss und sie treiben schon aus). Früchte und Gemüse, die viel Ethylen ausscheiden (wie Äpfel, Birnen, Aprikosen, Pflaumen, Avocados, Nektarinen, Bananen, Melonen, Tomaten), separat lagern – das austretende Gas lässt sonst die anderen Lebensmittel extrem schnell reifen. (Besonders ethylenempfindlich sind zum Beispiel Auberginen, Bananen, Blumenkohl, Bohnen, Broccoli, Gurken, Kiwis, Kopfsalat, Rüebli und Zucchini.) Brot bleibt am besten in einem Papiersack oder Stoffbeutel frisch.
  • Aufs Haltbarkeitsdatum pfeifen
    Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist eben genau das: ein Mindesthaltbarkeitsdatum. Viele Lebensmittel sind noch lange (bis zu vier Monate!) darüber hinaus bedenkenlos geniessbar, wie gerade wieder ein aufsehenerregender Langzeittest gezeigt hat. Also: Statt aufs Datum zu schauen, einfach das Lebensmittel mit gesundem Menschenverstand prüfen. Riechts gut? Schmeckts gut? Siehts gut aus? Oder anders gefragt: Hätte es dein Grosi noch gegessen? Dann ist es mit grösster Wahrscheinlichkeit auch noch gut.

  • Weniger Platz, besserer Überblick
    Ein easy Trick, der Wunder wirkt: einen Regalboden aus dem Kühlschrank entfernen. Erhöht die Übersichtlichkeit enorm, der Platzverlust ist kaum bemerkbar, und es gehen nie mehr angefangene Joghurt in den Untiefen vergessen, bis sie schimmeln. (Bea Johnson rät, den Kühlschrank in der Tiefe zu verkürzen; das dünkt uns etwas umständlicher. Der Regaltrick hat bei uns bestens funktioniert.)

  • Reste richtig aufbewahren
    Reste in einem Glas zu versorgen trägt dazu bei, dass man den Überblick über das Vorhandene im Kühlschrank nicht verliert. Bei vielen Tupperware-Gschirrli droht eher einmal etwas vergessen zu gehen. Mit Zubereitungs- oder Öffnungsdatum anschreiben hilft, die Geniessbarkeit der Reste besser abzuschätzen (dieses Glas Fertig-Tomatensauce in der Kühlschranktüre ist irgendwie auch schon recht lange offen, nicht?)

  • Reste verwerten
    Klassischer Foodwaste bei uns sind überreife und angegessene Früchte. Unterdessen schmeissen wir schwarze Bananen, angebissene Äpfel und überhaupt zu verderben drohende Früchte in den Mixer mit Joghurt oder Eis und «zaubern» (oh, dieses Wort …) daraus einen Smoothie. Oder wir frieren die Früchte und Fruchtreste in einem Sack ein, den man langsam füllen kann. Bei Gelegenheit rausnehmen, mit Milch oder Rahm in den Mixer und eine superschnelle Glace zubereiten (hier ein «Rezept» für Bananenglace). Kinder mögen auch Crêpes. Darin lassen sich verschiedenste Gemüse- und Fleischreste einrollen. Sieben «Rezepte gegen den Wegwerfwahn» hat die «Süddeutsche Zeitung» kürzlich zusammengestellt:  Salat lässt sich offenbar schmoren, aus Runzelgemüse gibts einen tollen Sugo, und Matschtomatensuppe klingt doch appetitlich!

  • Verantwortung übergeben
    Spiele mit em Ässe! Kinder haben ein natürliches Interesse am Kochen und an Lebensmitteln. Sie in die Zubereitung einzubeziehen, hilft dabei, ihnen den Respekt und die Wertschätzung vor dem Essen näherzubringen. Dass dabei kurzfristig etwas mehr Abfall anfällt, wird durch die langfristigen positiven Effekte wieder ausgeglichen. Der inspirierende Blog How We Montessori liefert zum Thema Essen einen ganzen Berg an Ideen und Anregungen. So können schon kleine Kinder lernen, selber so viel zu schöpfen, dass sie sich nicht übernehmen. Und natürlich sollte man Kinder allen Foodwaste-Vermeidungsbemühungen zum Trotz nie zum Essen zu zwingen – man bringt sie sonst dazu, ihr natürliches Sättigungsgefühl zu ignorieren, was langfristig grössere Probleme verursachen kann. Besser, es erfährt die natürlichen Konsequenzen seines Tuns und Lassens (aha, wenn ich beim Zmittag nicht esse, habe ich später Hunger, und dann gibts halt nur noch Brot statt feine Pasta). Und eine Faustregel: Fängt das Kind an, mit dem Essen zu spielen, ist es wohl satt.

  • Ein gutes Vorbild sein
    Kinder lernen bekanntlich durch Nachahmen. Wie die Eltern mit Essen umgehen, wird ganz stark bestimmen, wie sie selber essen – viel mehr als verbales Ermahnen, Drohungen oder gar Strafen. Wenn also Mama und Papa zum Essen immer am Tisch sitzen, den Teller leer essen, sich dabei nicht von Handy oder Heftli ablenken lassen und die gemeinsame Mahlzeit stets wertschätzen, wird dies das Kind langfristig am besten prägen. Der Gastronom Mirko Buri rät zudem davon ab, den Kindern im Restaurant immer nur Pommes Frites zu bestellen, damit sie zumindest irgendwas essen: Die Kinder, auch solche mit kleinem Appetit, sollen von Anfang an möglichst vielseitige Gerichte angeboten bekommen. Sonst verziehe man sie erst recht zu problematischen Essern.

Viele nützliche Informationen, gute Tipps und eindrückliche Grafiken zum Thema Food Waste gibts hier: www.foodwaste.ch