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«Einem Baby bringt es nichts, wenn es früh durchschläft»

Würde ein Fläschchen helfen? Oder doch mal schreien lassen? Schlafberaterin Sibylle Lüpold über Mythen und Sorgen rund ums Thema Schlaf.
22 Jan 2018
Bild — Krista Mangulsone

Hätten wir das nur alles gewusst, bevor wir Kinder bekamen! Sibylle Lüpold beantwortet all die Fragen rund um das problembeladene Thema Schlafen in einer Art, die uns so viel besser einleuchtet als alles andere, was wir zu dem Thema bisher hörten. Die Pflegefachfrau hat sich quasi selber zur Schlafberaterin ausgebildet, weil sich bei ihr in der Stillberatung «drei Viertel der Fragen ums Schlafen drehten». Seit 10 Jahren berät sie nun Familien. Ihre klassischen Kunden sind Eltern, die mit Baby zwischen 8 und 10 Monaten ihren Rat suchen (wie wir). Aber es gibt auch extremere Fälle – etwa der 13-Jährige, der sich schon tagsüber vor dem Zubettgehen am Abend fürchtet.

Aus ihrer intensiven Beschäftigung mit den Themen Stillen und Schlafen sind zwei Bücher entstanden: «Stillen ohne Zwang» und «Ich will bei euch schlafen». Eine ihrer Überzeugungen lautet: Es dauert durchschnittlich drei Jahre, bis ein Kind gut schläft. Mit drei Jahren haben die meisten Kinder die Trennungsangst überwunden, kognitiv und sprachlich gerade Quantensprünge absolviert. Drei ist «das magische Alter» (deshalb heisst Sibylle Lüpolds Website 1001kindernacht.ch – drei Jahre sind rund 1000 Nächte).

Die Nachfrage nach Schlafberatungen steigt stark; so stark, dass Sibylle Lüpold unterdessen selber Schlafberaterinnen ausbildet. Sie hat drei Söhne (14, 12 und 8), die heute alle wunderbar schlafen.

Sibylle Lüpold, unser Sohn ist 9 Monate alt* und erwacht in der Nacht alle 1,5 bis 2 Stunden. Sein älterer Bruder schlief in diesem Alter schon durch. Was haben wir falsch gemacht?
(Lacht) Beim ersten oder beim zweiten Sohn?

Beim zweiten natürlich!
So weit ich eure Situation kenne: Nichts! Es ist ganz normal, dass ein Stillkind im ersten Lebensjahr nicht durchschläft und regelmässig wach wird. Die Eltern haben immer den Fokus aufs frühe Durchschlafen, weil sie sich erhoffen, dass ihre Nächte wieder erholsamer werden. Dem Kind aber bringt es gar nichts, wenn es früh durchschläft.

«Dem Kind aber bringt es gar nichts, wenn es früh durchschläft.»

Warum nicht? Es ist doch auch nicht erholsam für das Kind, wenn es ständig erwacht?
Das ist ein Trugschluss, den die Eltern machen, weil wir davon ausgehen, dass wir möglichst am Stück schlafen müssen, um erholt zu sein. Das ist gar nicht der Fall. Die Idee des Durchschlafens ist relativ jung. Der menschliche Schlaf ist fragmentiert. Der Jäger und Sammler hat nicht einfach acht Stunden am Stück geschlafen, das wäre viel zu gefährlich gewesen. Erst mit der Industriealisierung und der Leistungsgesellschaft kam dieser Druck, in der Nacht am Stück schlafen zu müssen, um am Morgen wieder leistungsfähig zu sein.

«Die Idee des Durchschlafens ist relativ jung. Der menschliche Schlaf ist fragmentiert.»

Was bringt es denn dem Kind, regelmässig wach zu werden?
Stillkinder regen durch das Trinken in der Nacht die Milchproduktion an. Einer der häufigsten Abstillgründe ist, dass die Mutter zu wenig Milch hat. Dem wirkt das regelmässige Stillen in der Nacht am besten entgegen.

Und abgesehen vom Stillen?
Es bringt dem Kind Sicherheit. Das häufige Aufwachen ist ein Schutzfaktor und verhindert so auch den plötzlichen Kindstod, bei dem das Kind in der Tiefschlafphase plötzlich zu atmen aufhört. Ein Kind, das gar nicht erst in lange Tiefschlafphasen gerät, ist dadurch geschützt.

Von mir aus darf unser Sohn ja gern ab und zu erwachen. Aber er könnte ja auch einfach friedlich wieder einschlafen, statt jedes Mal zu schreien …
Das ist die zweite häufige Fehlannahme von Eltern: Sie glauben, dass das Kind kognitiv gleich funktioniert wie ein Erwachsener. Wenn ich an einem fremden Ort übernachte, brauche ich in der Nacht einige Sekunden, um mich wieder zurechtzufinden. Dabei hilft mir mein Verstand. Diese kognitive Leistung vermag ein kleines Kind noch nicht zu erbringen: Jedes Mal, wenn ein Baby in der Nacht aufwacht, muss es sich über seine Sinnesorgane vergewissern: Bin ich noch in Sicherheit? Spüre ich die Mama, rieche, höre ich die Mama? Im Idealfall kann das Kind im Leichtschlaf diese Sicherheitsprüfung machen und gleich wieder in den Schlaf abgleiten. Wenn es diese Signale aber nicht empfängt, ist es gezwungen, wach zu werden und diese Sicherheit einzufordern. Sprich: Es schreit, bis Mama und Papa kommen, es trösten und beruhigen.

Wie kommt es denn, dass Kinder im Kinderwagen oder im Auto oft viel länger am Stück schlafen als nachts im Bett?
Die Bewegung simuliert dem Kind, dass es getragen wird, und signalisiert ihm so ebenfalls Sicherheit. Deshalb erwachen Kinder oft auch sofort, wenn man sie vom Tragetuch ins Bett legen will – während sie in der Tragehilfe wahrscheinlich noch lange weitergeschlafen hätten. Dazu kommt, dass der Schlaf am Tag sowieso weniger problematisch ist als in der Nacht. Die Nacht löst zusätzliche Ängste aus.

Weshalb?
Dunkelheit löst bei allen Menschen Unbehagen aus, beim Kind aktiviert sie aber noch viel stärker sein Bindungsverhalten. Das heißt, es sucht mehr Nähe und Schutz, was ein sehr kluges Verhalten ist.

Du bist die erste, die uns Ratschläge gibt, die nicht völlig meiner Intuition widersprechen. Anderswo erhielt ich den Rat, dem Kind die Flasche zu geben vor dem Schlafen. Oder dass es in einem eigenen Zimmer schlafen sollte, damit es mich nicht riecht.
Ich antworte mit einer Gegenfrage: Warum ist Schlafen der einzige Lernprozess, der mit so viel Tränen und Stress verbunden ist? Wir erwarten von einem Kind, dass es ungefähr mit 1-jährig anfängt zu gehen, mit etwa 2-jährig sollte es Zweiwortsätze sprechen, mit ungefähr 3-jährig langsam trocken werden. Aber beim Schlafen erwarten wir, dass es das bereits mit 6-12 Monaten kann. Meiner Meinung nach kommt aber der Schlaf ganz am Schluss dieser Liste. Wenn wir die Reihenfolge so anschauen, haben wir diesen ganzen Stress auch nicht. Ich behaupte zudem: Ein Kind muss gar nicht schlafen lernen! Das kann es schon. Was wir vom Kind tatsächlich verlangen, ist, dass es nachts alleine zurecht kommt.

«Ein Kind muss gar nicht schlafen lernen! Das kann es schon. Was wir vom Kind tatsächlich verlangen, ist, dass es nachts alleine zurecht kommt.»

Warum braucht das so lange?
Schlafen hat sehr viel mit der emotionalen Entwicklung zu tun. Das Kind muss die Gewissheit haben: Auch wenn ich schlafe, werde ich nicht alleingelassen. Das ist eine kognitive und emotionale Leistung.

Ich weiss nicht, wie ich das überstehen soll, wenn ich erst in zwei Jahren wieder mehr als zwei Stunden am Stück schlafen kann.
Das verstehe ich. Drei Jahre auch in der Nacht für sein Kind da zu sein, ist ein grosser Einsatz. Wenn ein Kind aber in diesen drei Jahren die Erfahrung macht: Meine Eltern sind immer für mich da!, baut es ein grosses Vertrauen auf. Und ich behaupte, dass man dann ungefähr ab dem dritten Lebensjahr eine problemlose weitere Schlafentwicklung hat.

«Kinder treiben keine Machtspiele, sie sind den Eltern total ausgeliefert.»

Dann muss ich mir keine Sorgen machen, dass ich auch noch einen 7-Jährigen im Bett habe, weil er als Baby nie gelernt hat, im eigenen Bett zu schlafen?
Das kann ich nicht garantieren. Aber ich behaupte, du wirst kein Schulkind haben, das sich weigert, abends ins Bett zu gehen. Solche Zukunftssorgen sind allerdings ohnehin meistens müssig. Das Kind entwickelt sich ja weiter! Ein 10 Monate altes Baby hat ganz andere Bedürfnisse als ein 2-jähriges Kleinkind. Natürlich ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass bereits ein 2- oder 3-Jähriges plötzlich von sich aus nicht mehr bei den Eltern schlafen will. Aber das macht ja nichts. Die Eltern können irgendwann aktiv darauf hinsteuern, die Situation langsam verändern.

Wenn das häufige Aufwachen völlig normal ist: Weshalb haben denn in meinem Umfeld so viele anscheinend so wunderbar schlafende Kinder?
Jedes Kind ist anders, nicht jedes Kind hat die gleichen Bedürfnisse. Es gibt durchaus Kinder, die schon relativ früh recht entspannt schlafen. Die Bandbreite ist gross. Manche Kinder haben aber auch einfach verstanden, dass ihre Eltern nachts nicht zur Verfügung stehen, und haben diesbezüglich aufgegeben, ihre Bedürfnisse anzumelden.

«Manche Kinder haben verstanden, dass ihre Eltern nachts nicht zur Verfügung stehen, und haben diesbezüglich aufgegeben, ihre Bedürfnisse anzumelden.»

Die Generation meiner Eltern würde wohl sagen: Lasst die doch mal schreien! Ihr verzieht diese Kinder völlig!
Diese Angst, ein Kind zu «verwöhnen», ist leider immer noch sehr präsent. Aber Kinder treiben keine Machtspiele, sie sind den Eltern total ausgeliefert und fügen sich ihnen ja grundsätzlich in den allermeisten Situationen. Beim Schlafen haben Kinder jedoch ein Bedürfnis nach Nähe, um sich sicher fühlen zu können. Sie müssen sich entspannen können, um zu schlafen. Und Ängste und Entspannung schliessen sich gegenseitig aus.

Aber ist es nicht wichtig, dass die Kinder lernen, Bedürfnisse aufzuschieben? Stichwort Marshmallow-Test.
Ja, aber dafür muss zuerst das entsprechende Areal im Hirn entwickelt sein, der präfrontale Cortex. Das ist frühestens ab drei, dreieinhalb Jahren der Fall. Ein Baby kann seine Bedürfnisse schlichtweg nicht aufschieben. Es ist wichtig, dass die Eltern begreifen: Das Kind kann nicht anders, es kann sich nicht «zusammenreissen».

«Ein Baby kann seine Bedürfnisse schlichtweg nicht aufschieben.»

Woher kommt denn der Erfolg von Schlaftrainings? Die müssen ja funktionieren, sonst wären sie nicht so populär.
Sie funktionieren, wenn die Eltern konsequent genug sind, was gar nicht so einfach ist. Und das Kind darf keinen allzu starken Willen haben, es muss sich irgendwann fügen. In sehr vielen Situationen ist das aber keine dauerhafte Lösung. Viele Eltern müssen diese Schlaftrainings mehrmals durchführen.

Unser Sohn hat bis 6 Monate immer besser geschlafen, teilweise erwachte er nur noch zweimal pro Nacht. Dann hat es sich plötzlich verändert. Warum ist es nicht einfach immer besser geworden?
Allgemein lässt sich sagen: Die ersten 3 Monate, als Neugeborene, schlafen die meisten Babys noch nicht sehr gut. Dann schlafen viele etwas besser, manche schlafen sogar schon durch. Zwischen 6 und 12 Monaten wachen die meisten Kinder wieder häufiger auf.

Weshalb?
Es gibt eine ganze Reihe von Gründen. Die motorische Entwicklung – krabbeln, sitzen, stehen, gehen – beschäftigt die Kinder auch im Schlaf, sie üben buchstäblich weiter. In dieser Zeit ist auch die Fremdenangst am grössten, der Höhepunkt ist etwa um 8 Monate herum: Da realisiert das Kind, dass seine Eltern weggehen könnten. Es nimmt vermehrt seine Umgebung wahr und verarbeitet diese Eindrücke in der Nacht. Dazu kommt das Zahnen. Viele Kinder werden ausgerechnet dann ausquartiert, was aber dem Entwicklungsschritt des Kindes und dem stärkeren Nähebedürfnis direkt entgegenläuft. Nach dem ersten Geburtstag gehts dann häufig wieder besser.

«Ich rate euch, euch längerfristig darauf auszurichten, dass das Kind bei euch schläft.»

Also müssen wir es akzeptieren, dass unser Sohn einfach schlecht schläft? Wie überstehen wir das?
Die Akzeptanz, dass dies eine normale Phase der Entwicklung ist, dass die Eltern nichts falsch machen, hilft den meisten schon sehr. Dann rate ich dazu, die Situation angenehm zu gestalten und die Bedürfnisse des Kindes möglichst zu erfüllen. Richtet euch eine grosse Schlaffläche ein, wo alle mindestens 90 Zentimeter Platz haben. Viele Familien quetschen sich zu dritt in ein 160er-Bett, weil sie denken, das sei ja nur eine kurze Phase. Ich rate euch, euch längerfristig darauf ausrichten, dass das Kind bei euch schläft, und auch etwas kreativ zu sein. Das hilft vielen Familien schon sehr.

Aber irgendwann brauchen wir Eltern doch mal wieder unseren Raum!
Wenn es euch sehr wichtig ist, dass das Elternzimmer eure Privatsphäre ist, könnt ihr auch im Kinderzimmer eine grosse Schlaffläche einrichten. Dann können Mama oder Papa anfangs noch beim Kind schlafen oder auch nur einschlafen. Ab dem ersten Geburtstag kann sich der Elternteil langsam zurückziehen. Auch ein Geschwisterbett kann dann eingeführt werden.

Würde unser Sohn besser schlafen, wenn ich abstillen würde? Hilft der berühmte «dicke Schoppen» (Flaschenmilch)?
Nein, längerfristig nicht, das haben zahlreiche Untersuchungen gezeigt. Tatsächlich aber sind die Nächte mit Stillkindern anstrengender als mit Flaschenkindern. Einerseits weil sich die Kinder mehr melden, andererseits reagieren die Mütter aber auch schneller. Muttermilch ist schnell verdaut, ein Stillkind braucht häufig kleinere Portionen. Die grossen Vorzüge der Muttermilch werde ich hier jetzt aber nicht aufführen.

«Tatsächlich aber sind die Nächte mit Stillkindern anstrengender als mit Flaschenkindern.»

Was ist mit dem Einschlafstillen?
Viele warnen vor dieser Assoziation: dass das Kind nur schläft, wenn es an der Brust ist. Dabei ist das total sinnvoll und auch in der Menschheitsgeschichte schon immer so gewesen. Die Muttermilch enthält sogar Stoffe, die einschläfernd wirken, das Einschlafstillen ist also quasi von der Natur so vorgesehen. Aber auch das ist ein Entwicklungsprozess. Ein 6 Monate altes Kind, das die Brust braucht, um einzuschlafen, ist später sehr wohl bereit, diese Verknüpfung wieder zu lösen. Wenn also die Mutter nicht mehr mag, was total legitim ist, kann sie das verändern. Ich würde damit einfach warten, bis das Kind jährig ist – davor bleibt der erhoffte Erfolg oft aus.

Warum?
Weil das Kind trotzdem häufig erwacht und Unterstützung benötigt. Aus all den anderen Gründen – etwa wegen der emotionalen und motorischen Entwicklung. Es kann dann sein, dass die Eltern noch in eine anstrengendere Situation kommen als mit dem Stillen, wenn sie das Kind herumtragen oder nachts eine Flasche machen müssen. Erst ab ca. 1-jährig bringt das nächtliche Abstillen wirklich eine Verbesserung. Vorher gilt es einfach abzuwiegen: Ist die Erschöpfung der Mama so gross, dass sie die Verschlechterung der Situation für das Kind rechtfertigt? Wenn nein, versuche ich die Mutter zu bestärken, dass sie alles richtig macht und diesen Weg weitergehen darf.

«Erst ab ca. 1-jährig bringt das nächtliche Abstillen wirklich eine Verbesserung.»

Also hängt einfach alles an den Müttern? Das darf doch heutzutage auch nicht mehr so sein.
Das Problem liegt daran, dass wir nicht in einer familienfreundlichen Gesellschaft leben. Es ist nur deshalb so anstrengend, weil wir von den Müttern erwarten, dass sie gleichzeitig beruflich ihre Leistung erbringen und ihre Karriere aufbauen. Die Mutter ist im Clinch zwischen all dem, was sie weiss – wie wichtig Stillen ist, wie wichtig Bindung ist –, und den Rahmenbedingungen der Gesellschaft, die all das erschweren. Wie willst du morgens um 7 Uhr fit bei der Arbeit antreten, wenn du dich die ganze Nacht um ein Kind gekümmert hast?

Also ist die Vereinbarkeit eine Illusion?
Sie ist einfach sehr schwierig. Es gäbe sehr viel mehr Möglichkeiten, als wir momentan nutzen. Warum ist es nicht möglich, als Mutter eine Zeitlang bedenkenlos aus dem Berufsleben auszusteigen, um sich um die Kinder zu kümmern? Stattdessen werden Frauen für diese Auszeit bestraft, sie haben es extrem schwer, wieder zurückzukehren. Vereinbarkeit von Familie und Beruf gibt es meines Erachtens in unserer Gesellschaft nicht. Irgendjemand bleibt immer auf der Strecke: entweder das Kind, die Paarbeziehung oder die Berufstätigkeit der Mutter, in Ausnahmefällen auch jene des Vaters. Die Vereinbarkeit ist in meinen Augen eine Floskel.

«Die Vereinbarkeit ist in meinen Augen eine Floskel.»

Lange stillen, Co-Sleeping: Ist dies denn das einzig Richtige für ein Kind?
Nein! Ich wehre mich gegen solche Dogmas. Momentan gibt es diese Tendenz zu neuen «Vorschriften»: Ein Kind muss gestillt und getragen werden, im Familienbett schlafen, am besten noch windelfrei aufwachsen. Mich engen solche Vorschriften ein. Klar: Es gibt Wege, die sich besser bewähren und andere, von denen ich abrate. Ich habe eine klare Haltung, was meinen eigenen Weg als Mutter betrifft. Aber ich versuche für jede Familie eine individuell passende Lösung zu suchen, die für sie stimmt. Ob das Kind nun früh abgestillt wird und nur im Kinderwagen transportiert wird: Am Ende ist das Ziel ein stimmiges Familiengefüge. Alles andere kann nur wieder neuen Stress erzeugen.

* Das war zum Zeitpunkt des Interviews. Wir waren einige Wochen zuvor für eine individuelle Schlafberatung bei Sibylle Lüpold gewesen. Danach haben sich unsere Nächte beruhigt. R. schlief fortan bei uns im Bett, und wir haderten nicht mehr mit der Situation, sondern hatten Gewissheit, dass es vorbeigeht und wir nichts falsch machen. Vor zwei Wochen haben wir (nach Sibylles Methode) nachts abgestillt, zu unserer grossen Überraschung praktisch ohne Protest. Er schläft nun statt immer mit Einschlafstillen, Tragen oder auf dem blöden Gymnastikball problemlos mit etwas Singen und Halten ein und weiter. R. hat gerade seinen 1. Geburtstag gefeiert und wird bald ins grosse Geschwisterbett zu seinem Bruder umziehen.