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Familienrituale: Diese Traditionen tun uns gut

Kinder lieben Rituale – und von ihrer Kraft profitiert die ganze Familie. Wir haben die Lieblingsrituale der Redaktion zusammengetragen.
8 Sep 2021
Bilder — Unsplash

Das Reserve-Küsschen zum Abschied

Meiner 4-jährigen Tochter fallen Verabschiedungen (insbesondere von mir) oftmals schwer. Manchmal bemerkt sie (zu spät), dass sie sich noch nicht richtig verabschiedet hat. Dies verlangt uns dann jeweils viel Kraft in der Begleitung ihrer Gefühle ab. Für uns ist es daher wichtig, uns bewusst zu verabschieden. Ich gebe meinen Kindern bei Verabschiedungen meist ein Müntschi (Küsschen) in die Hand. Dieses Reserve-Müntschi begleitet sie dann durch den Tag hindurch und sie können es sich jederzeit irgendwo hin machen, wo sie es gerade gebrauchen können. Wenn ein Abschied mal schwerer fällt, dann gebe ich zusätzlich Kraft in ein Armband, welches sie sich dann anziehen können und welches sie während meiner Abwesenheit stärkt. (Nicole Bischof)

Das Vorgeschenk

An Weihnachten lagen ich und meine Schwester jeweils bäuchlings vor dem geschmückten Baum und sahen uns die verpackten Geschenke aus nächster Nähe an. Berühren war verboten, gucken erlaubt. Wir waren sooo aufgeregt jeweils. Doch es galt die strikte Regel, dass die Bescherung immer erst nach dem (mehrgängigen) Nachtessen stattfand. Eine Konzession allerdings gab es: Auf dem Vorspeisenteller lag für jedes Kind ein «Vorgeschenk». Dieses Paket durften wir bereits vor dem Essen öffnen, und es bekam einen grossen Platz in unseren Kinderherzen. So habe ich diese Tradition mitgenommen und auch unsere Kinder kommen nun in den Genuss eines weihnächtlichen Vorgeschenks. Gäbe es das nicht mehr, uns würde allen etwas fehlen. (Eva Hefti)

High, Low, Buffalo

Für unsere Familie ist das wichtigste Ritual ganz klar jeden Tag zusammen zu Abend zu essen. Ohne Ablenkung von irgendwelchen Seiten haben wir dann super Gespräche – jede:r kann erzählen, was ihm oder ihr an dem Tag am besten gefallen hat, und natürlich gibt es auch Raum für das, was nicht so toll war. Wir nennen das auch High, Low, Buffalo – also Highlight und Lowlight und alles, was dazwischen liegt. Mein Mann und ich haben den Kindern dieses Ritual von klein auf vorgelebt, weil es auch für uns die Zeit ist, zu welcher wir uns über unseren Tag austauschen. Die Kinder kennen es also nicht anders. Und ich finde besonders schön, dass die Kinder so auch mitbekommen, was die Erwachsenen bewegt und was wir so den Tag über machen. So entsteht Interesse am Leben der anderen. Aber natürlich herrscht auch bei uns ab und zu «pumpkin hour», das heisst, abends sind die Kinder nicht immer empfänglich fürs Zuhören. Aber wir versuchen es immer. (Alexandra Berchtold)

Rundum glücklich in den Schlaf

Jedes Elternteil, das abends zu Hause ist, gibt den Kindern beim Ins-Bett-Gehen eine Umarmung und einen dicken Kuss. Mein Mann und ich sagen den Kindern immer, dass wir sie lieben, dass sie uns viel Freude bereiten und – in Bezug auf das beim Abendessen Geteilte – X oder Y heute toll war und dass sie stolz auf sich sein können. Umarmungen reduzieren ja generell Stresshormone (nicht nur bei Kindern!), peppen die Laune auf und geben das Gefühl von Geborgenheit. Und auch wenn ich (oder wir) uns vorher über die Kinder aufgeregt haben, ist uns wichtig, dass sie rundum glücklich schlafen gehen. Vielleicht sollte man so ein Ritual auch auf die Partnerschaft ausweiten … (Alexandra Berchtold)

Die Familienkonferenz

Dieses Ritual empfehle ich allen Familien wärmstens. Man kann damit schon in der Schwangerschaft anfangen oder es auch erst später mit kleineren oder grösseren Kindern einführen. Wichtig ist: Es ist kein Krisenbewältigungs-Instrument, sondern sollte in einem guten Moment eingeführt werden. Bei uns läuft es so: Wir nehmen uns alle zwei Wochen eine halbe Stunde bis Stunde Zeit. Davor dekorieren wir den Ort, an dem wir uns treffen, mit einem Plakat, auf dem «Familienrunde» steht, mit Kerzen und schönen Steinen, die unser Sohn gefunden hat. Der Rahmen darf ruhig etwas feierlich sein; man kann das Ganze auch mit einer besonderen Mahlzeit verbinden, z.B. danach zusammen Kuchen essen.
Bei uns erhält dann jeweils jede und jeder die Gelegenheit, zu erzählen, wie es ihm oder ihr gerade geht, was einen bewegt und beschäftigt. Dabei ist es wichtig, dass die anderen Personen nichts kommentieren oder bewerten, egal ob positiv oder negativ – sie hören einfach nur zu. Bei kleinen Kindern kann man mit dem Buch «Heute bin ich» von Mies von Hout arbeiten.
Von den Eltern erfordert das Ritual zuerst einmal viel Können: einfach nur zuzuhören, auszuhalten und nicht zu intervenieren oder manipulieren. Alles Wissen, das wir aus dieser Runde erfahren, müssen wir zudem bei uns behalten. Und wir müssen auch damit umgehen können, wenn ein Kind vielleicht eine Regelverletzung beichtet – das darf im Nachhinein keine Strafe absetzen!
Was das Ganze bringt? Austausch, Vertrauen, eine tiefere Bindung, Erfahrung im Wahrnehmen und Artikulieren von Gefühlen. Kinder lernen von früh auf, zuzuhören und eigene Bedürfnisse zu formulieren – beides grundlegende Fähigkeiten. Und was man in guten Zeiten übt, fällt in schwierigen Zeiten dann umso leichter.
Nina Trepp (Familienkonferenzen sind nur eines von vielen hilfreichen Instrumenten, das sie an ihren Elternkursen lehrt; alle Angebote: www.beratungen-bern.ch)

No chli blibe liege

Etwas, das ich aus meiner eigenen Kindheit kenne: Nach dem Aufwachen noch einen Moment bei meinen Eltern/meiner Mutter unter die Decke schlüpfen. Unter der Woche sind diese Momente bei uns eher selten. Wenn sie sich aber ergeben, feiern wir sie sehr. Auch wenn uns die Zeit später in der Regel anderswo fehlt. Das kann uns nach diesem Start in den Tag nicht wirklich viel anhaben. Am Wochenende dann schöpfen wir mit «no chli blibe liege» aus dem Vollen. Ob mit einem Büechli, zum «schnürele» über dieses und jenes oder gleich zum Zmorge, mein Bett ist in diesen Morgenmomenten definitiv the place to be. (Karin Hänzi)

Der Filmabend

Dieses Ritual, im Lockdown 2020 eher aus der Not geboren, hält sich hartnäckig – selbst bei hochsommerlichen Temperaturen oder wenn draussen ein Hofkonzert im Gange ist: Unsere Kinder, diese Traditionalisten, bestehen darauf. Jeden Freitag schauen wir zusammen einen Film und essen dazu vor dem TV (aka einem Laptopbildschirm) zu Abend. Die Kids meistens Fast Food, wir Erwachsenen gönnen uns hin und wieder den Luxus von geliefertem Essen (am liebsten von Tulsi via Schnellerteller.ch), in der Schweiz ja etwa gleich teuer wie ins Restaurant gehen … Die Qualität der Filme ist sehr unterschiedlich, von den überdrehten Minions über die doofen Schlümpfe bis hin zum guten alten Bugs Bunny war schon alles dabei. Meistens holen wir einen Film aus der Kornhausbibliothek, andere Male finden wir was auf Netflix oder mieten einen Film auf Youtube. Das ist für alle ein entspannter Wochenabschluss. Wenn wir nun noch ein bisschen flexibler werden können (z.B. mal an einem anderen Wochentag schauen), dann werden wir diese Tradition vermutlich noch lange so beibehalten.
PS: Hat jemand noch einen Filmtipp? (Sarah Pfäffli)

Auftanken mit Mondlicht

Wir alle lieben den Mond und insbesondere die Kraft des Vollmondes. Abends machen wir daher oftmals alle zusammen den Mondgruss aus dem Buch «It’s Buddha Time» von Daniela Heidtmann. Wir begrüssen den Mond und gleichzeitig recken und strecken wir uns und kommen in’s Vertrauen, dass der Mond uns in der Nacht bewacht. Bei Vollmond legen wir zudem unsere liebsten Edelsteine und die Steinkettchen der Kinder auf den Fenstersims, damit der Vollmond die Steine auflädt und sie uns dann im Alltag wiederum begleiten und stärken können. (Nicole Bischof)

Lagerfeuersonntag

Wir sitzen ums Feuer, ein kühles Getränk in der Hand, auf dem Grill brutzeln die Fladenbrote und die Kinder brauen einen Zaubertrank aus Brombeeren und Rosmarin. Es ist ein später Sonntagnachmittag mit Sonnenschein, aber ohne Verpflichtungen: Genau einer dieser Momente, in dem wir jeweils unseren Garten öffnen für alle, die Lust haben, und ganz entspannt schauen, wer da kommt. Dieses wunderbare Familienritual hat nur einen Haken – es existiert weitgehend in unserer Fantasie. Immerhin basteln wir kontinuierlich daran. Seit dem Mutterschaftsurlaub, als mir das Buch «Slow Family» (Dibbern & Schmidt, Beltz Verlag) den Floh vom Lagerfeuersonntag ins Ohr setzte, sind wir meiner idée fixe tatsächlich immer nähergekommen. Wir haben uns einen Stadtdschungel zugelegt, ein Terrässli sowie eine Matschküche gebaut und unser neues Outdoorzimmer mit Sitzgelegenheiten, einem Feuerkorb und munteren Nachbarskindern bevölkert, die mit unserem Sohn schauderhafte Hexensuppen kochen. Auch sonst mangelt es nicht an lieben Menschen, die unser Gärtli gerne mit uns teilen. Was uns jetzt noch fehlt, ist der Mut, die gelegentlichen Feuergelage zum regelmässigen Ritual zu machen. So gut wie es bisher lief, wird auch das noch klappen. (Catherine Bauer)

Das jährliche Beweisfoto

Wir fotografieren die Kinder jedes Jahr am ersten Schultag mit ihrem Schulranzen und ihrem selbst gemalten oder geschriebenen aktuellen Berufswunsch. Wenn wir es schaffen, dann sogar vor der Schultür. Die Berufswünsche sind so fantasievoll, wie nur Kinder träumen können – wir hatten schon Zauberer und Astronaut, es gab Polizist und Rösslireiter, Fussballspieler und auch einen Einhorntrainer. In den kommenden Jahren wird das Spektrum wahrscheinlich allmählich weniger fantasievoll ausfallen, dafür kristallisiert sich vielleicht eine klarere Richtung raus … (Alexandra Berchtold)

Wie war dein Tag, deine Woche?

In meiner Kindheit haben wir es uns eine zeitlang jeweils zu viert am Sonntag Abend auf dem Geschwisterbett von meiner Schwester und mir gemütlich gemacht und haben uns von unserer Woche erzählt. Wir haben dabei eine kleine Lampe weitergegeben, so dass jeweils lediglich die Person mit der Lampe gesprochen hat, während die anderen einfach zugehört haben – ohne zu kommentieren oder zu ergänzen. Dies ist eine meiner präsentesten Erinnerungen an meine (frühe) Kindheit. Ich freue mich schon sehr, wenn wir mit unseren beiden noch kleinen Kindern (4 und bald 2 Jahre alt) ein ähnliches Ritual einführen können. Mit der älteren Tochter spiele ich manchmal bereits das wunderbare Spiel «Wie war Dein Tag? – Das Familien-Erzähl-Spiel» von FenYa’s Welt. Sie mag es sehr, mir zuzuhören, wie ich meinen Tag reflektiere. Eigene Erzählungen fallen ihr aber oftmals (noch) schwer. (Nicole Bischof)

Mit Quatsch und Schabernack zu Verbindung

Dies ist ein kleines, aber wirkungsvolles Ritual, das ich meiner Schwiegermutter zu verdanken habe. So streng sie auf gute Manieren achtet, so überraschend ist ihre Zauberwaffe gegen bockende Kleinkinder: Unfug. Man unterschätze niemals die Macht von Quatsch und Schabernack! Gemeinsames Blödeln schafft es dort Verbindung herzustellen, wo Diskussion und Druck uns frontal in die Wand steuern. Wenn also die Stimmung kippt, nimmt diese distinguierte Dame die Knirpse auf den Rücken und galoppiert mit ihnen wiehernd durch die Wohnung. Es grenzt an Magie, wie milde kleine Anarchisten werden, wenn sie vor Kichern fast aus dem Sattel fallen. Und so wurde das Rössliritual geboren: Wann immer unser Vierjähriger NICHT da hinwill, wo wir Erwachsenen unbedingt hinwollen, hilft «Rösslen». Wir rösslen zum Eincremen, zum Aufräumen, ins Bett. Natürlich muss man das Ritual etwas rar halten, damit der Zauber nicht verfliegt – zum Glück gibt es reichlich anderen Quatsch zum Überbrücken. (Catherine Bauer)

Streuselschnitteli zum Znacht

Dieses Familienritual ist eine Mischung aus Kindheitserinnerung und holländisch verwurzelter Liebesgeschichte: Jeden zweiten Donnerstag essen meine Kinder Schoggistreusel-Schnitteli zum Znacht. Süss aufgetischt wird immer in jenen Wochen, in denen sie am Wochenende bei ihrem Vater sind und das wahlweise samstägliche oder sonntägliche Streuselschnabulieren darum entfällt. Ursprung besagter Menuplanung ist (abgesehen vom unten genannten Müde-Abend) einerseits das gute alte Schokoladenstreusel-Zwieback aus meiner eigenen Kindheit, andererseits das zur Hälfte holländische Blut des neuen Mannes in unserem Leben. Neben einem federleichten Herzen hielten mit ihm auch die Riesenstreusel aus dem Hause De Ruijter bei uns Einzug. Verständlich, dass die häufiger als vierzehntäglich verspeist werden wollen. (Karin Hänzi)

Müde-Abend

Dieses Ritual geht Hand in Hand mit dem Streuselschnitteli-Znacht. Donnerstags sind im Hause Hänzi abends alle müde, die Kinder wegen Nachmittagsunterricht und Tagesschule, ich wegen Bürotag. Also sind die Nerven allenthalben angespannt, Geduld hat niemand zur Hand, Hunger dafür umso grösseren. Drum gilt nach entsprechendem Familienrat seit einiger Zeit: Abholzeit ist möglichst 17 Uhr, auf dem Nachhauseweg hab ich maximal Spatzig für die Info, was es zum Zmittag gegeben und was davon geschmeckt hat (der Rest darf später umso detailreicher nachgereicht werden), auf den Tisch kommt etwas, das zackig parat ist und alle mögen und im Zweifelsfall wird gelacht statt geschimpft. Dank diesem Zusammenspiel von frühem Feierabend, nahezu keinem Programm und noch weniger gegenseitigen Erwartungen haben sich die Donnerstagabende im Nullkommanichts vom Puff- zum Partygaranten gemausert. (Karin Hänzi)

Was sind eure Familienrituale? Was bedeuten sie euch? In unserer Facebook-Gruppe haben Mitglieder weitere Ideen zusammengetragen.