Wenn wir im Frühling die Balkonkistli und Töpfe aus dem Keller holen, beginnen die Augen unserer Kinder zu leuchten: Schaufeln, giessen, säen, setzen, beobachten, probieren und schliesslich ernten – uns gefällt es, wenn es grünt und blüht und summt um uns herum. Dafür sind wir bereit, einiges zu tun.
Eine Studie der Universität Bern hat gezeigt, dass die Biodiversität in begrünten Städten höher ist als auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Selbst Balkonbepflanzungen tragen zur Artenvielfalt bei, indem sie Insekten helfen, zusammenhängende Populationen zu bilden und ihnen Nahrung bieten. Wie zum Beweis wurden wir auf unserem Balkon regelmässig von einer Hornisse besucht (Hilfe!). Ein grüner und blumiger Balkon ist also nicht nur schön anzusehen, sondern ein wertvolles Puzzlestück, um die Biodiversität in der Stadt zu fördern.
Hier unsere Vorschläge, wie man mit Kindern den Frühling auf den Balkon oder in den Garten holen kann und dabei gleichzeitig etwas für die Erhaltung der Artenvielfalt tut.
Was gibt es Feineres als eigenes Gemüse vom Balkon oder Garten? Unsere Kinder «kochen» mit den Kräutern gerne für sich eine Suppe oder einen Salat. Zum Aussäen in Balkonkistli oder Töpfe eignen sich beispielsweise Rucola, Schnittsalat, Rüebli (tiefe Kistli verwenden), Radiesli (Achtung, scharf!), Basilikum, Koriander oder Petersilie. Unser Favorit sind aber Cherrytomaten. Vor lauter wuchernden Tomatenstauden auf unserem Balkon haben wir bisweilen kaum noch die Strasse gesehen – Sichtschutz als schöner Nebeneffekt. Wenn man eigene Tomaten hat, kauft man ziemlich lange keine mehr im Detailhandel, der Geschmacksunterschied ist schlicht zu gross. Das einzige Ärgernis sind die schwer rauszukriegenden Tomatenflecken auf den T-Shirts der Kinder (zum Glück gibt’s Gallseife). Für die Tomatensetzlinge besuchen wir jeweils den ProSpecieRara-Zierpflanzenmarkt in der Elfenau (dieses Jahr am 19. Mai). Man erhält dort Tomaten in allen Farben, Formen und Grössen. Mittlerweile wissen wir, welche Sorten uns besonders gut schmecken und viel Ertrag geben (Black Cherry ist der Favorit). Unser Rekord von einer einzigen Tomatenstaude in einer Saison waren 1200 Früchte!
Für die Kleinsten: Nicht alle Kinder haben die nötige Geduld zu warten, bis die Tomaten reif sind. Einen schnelleren Erfolg bringt Kresse. Man belegt ein Gefäss mit etwas Watte, tränkt sie mit Wasser und verteilt die Kressesamen grosszügig darauf. Die Watte muss immer feucht gehalten werden. Damit wir nichts verpassen, stellen wir unseren Kresse-Igel auf den Küchentisch, denn schon nach einem Tag können die Samen beim Keimen beobachtet werden. Dank der Watte sieht man das besonders gut. Nach einer Woche ist die Kresse erntereif und alle dürfen sich sozusagen als Tischgewürz davon bedienen. Mit Kresse in leeren Eierschalen oder hübschen Eierbechern kann man auch schöne Ostertisch-Dekorationen herstellen.
Unser Balkon-Natur-Highlight erlebten wir vergangenes Jahr. Wir konnten den ganzen Lebenszyklus von insgesamt rund 20 Schwalbenschwanz Schmetterlingen beobachten! Angelockt von unserem blühenden Lavendel, legte ein Schwalbenschwanzweibchen seine Eier auf unseren Teefenchel. Aus den winzig kleinen, milchigen Eiern schlüpften nach etwa einer Woche schwarze Mini-Raupen. Diese frassen sich vier Wochen lang durch die Blätter und Blüten der Futterpflanze und erhielten nach mehreren Häutungen die charakteristische grün-schwarz-orange Färbung der «Rüebliraupe». Stundenlang sassen wir auf dem Balkon und haben den ausgewachsenen Raupen beim Fressen zugeschaut und gestaunt, welche Mengen sie in rasendem Tempo vertilgen. Spätestens da wurden wir an die kleine Raupe Nimmersatt erinnert.
Unser Balkon-Natur-Highlight erlebten wir letztes Jahr. Wir konnten den ganzen Lebenszyklus von insgesamt rund 20 Schwalbenschwanz Schmetterlingen beobachten!
Mit Ausdauer und etwas Glück kann man die letzte Häutung von der Raupe zur Puppe beobachten (ja, wir haben auch gestaunt, dass das eine Häutung ist – total faszinierend!). Aus der Puppe schlüpft nach etwa zwei Wochen der wunderschöne Schwalbenschwanzschmetterling. Wir haben extra das Frühstück auf den Balkon verlegt, um diesen Event keinesfalls zu verpassen. Wehmütig entliessen wir die Schmetterlinge in die verdiente Freiheit und wurden eine Woche später mit neu gelegten Eiern auf unseren Rüeblipflanzen belohnt. Wir können fast nicht mehr warten, bis unsere als Puppen überwinterten Schmetterlinge (hoffentlich) schlüpfen und der Zyklus von Neuem beginnt. Es war für die ganze Familie eine wunderbare Übung in Achtsamkeit, die Metamorphose des Schmetterlings mitzuerleben.
Um die Raupen vor Vögeln zu schützen und die Verpuppung der Raupen zu beobachten, ist ein Aerarium sehr zu empfehlen. Das Schmetterlingshaus kann man im Papillorama Kerzers beziehen oder direkt bei Papa Papillon. Dieser hat auch einen Stand am Wildpflanzen Märit auf dem Bundesplatz (24. April 2019) und berät einen gerne persönlich zur Schmetterlingszucht.
Es ist gerade «in», ein Wildbienenhaus zu besitzen, und der Verkauf von teilweise ungeeigneten Wildbienenhotels ist mittlerweile zu einem lukrativen Geschäft geworden. Da ein Wildbienenhaus nur einem kleinen Teil der Wildbienen Lebensraum bietet und bei fehlender Pflege oft Parasiten einziehen, distanziert sich die Wildbienenorganisation Wildbee mittlerweile vom Wildbienenhotel-Hype – ausführliche Informationen dazu gibt es hier.
Dennoch finden wir, dass der gemeinsame Bau eines Wildbienennistplatzes eine Möglichkeit ist, Kinder für die Aufgaben der Insekten zu sensibilisieren. Wichtig ist, dass man sich umfassend über geeignete Materialen und Standorte informiert (siehe Wildbee-Link) und nach dem Bau die Bienen beobachtet und die Unterkunft pflegt. Totholz oder Schwemmholz kann man auf einem Spaziergang im Wald oder der Aare entlang mit den Kindern sammeln. Verschiedene betreute Spielplätze bieten die Möglichkeit an, eine Werkstatt zu benutzen (in Bern z. B. am Schützenweg oder in der Längmuur) oder man nutzt das Angebot des Gartenmärits in der Feuerwehr Viktoria (5. Mai 2019).
Für die Bienen gilt allerdings das Gleiche wie für die Schmetterlinge: Sie kommen nur, wenn es auf dem Balkon Nahrung gibt. Bienen brauchen einheimische Blütenpflanzen, die vom Frühjahr bis in den Spätherbst blühen. Je grösser die Vielfalt der Blüten, umso beliebter ist der Balkon aus Insektensicht. Ideal ist es, wenn eine monotone Grünfläche (aus Sicht der Biene eine grüne Wüste!) in eine Wildblumenwiese umgewandelt werden kann. Schweizer Radio und Fernsehen hat auf den Artenrückgang reagiert und die Mitmachaktion MissionB gestartet. Online kann jeder Quadratmeter, der auf Balkon oder Garten umgestaltet wird, gemeldet werden. Und falls man keinen Balkon und keinen Garten hat – warum nicht die Saatkugeln der Grossverteiler-Sammelaktion guerillamässig in vergessenen grünen Ecken der Stadt spriessen lassen?
* Nach 15 Jahren intensiver Balkon Gärtnerei in Zürich und Bern hat Milena Salzmann jetzt auf dem Land einen grossen Garten. Das neuste Gartenprojekt ist, einen Streifen Wildblumenwiese anzusäen. Die drei Töchter (1,5, 4,5 und 6) haben je ein Beetli und wollen unbedingt Dill anpflanzen, damit sie ihre «eigenen» Rüebli Raupen haben.