Mutter, Vater, Kind ist heute längst nicht mehr das gängige Familienmodell. Viele homosexuelle Paare wünschen sich Kinder. Wie erfüllen sie sich den Kinderwunsch? Wie gestalten sich die Beziehungen untereinander? Wer hat welche und wieviel Rechte? Das Beispiel von Eva und ihrer Partnerin zeigt, wie intensiv sich gleichgeschlechtliche Paare mit diesen Fragen auseinandersetzen. Eva (40) und ihre Partnerin Lea (37) sind seit 13 Jahren ein Paar.* Sie leben seit letztem Sommer in einer eingetragenen Partnerschaft. Sie haben zwei Töchter im Alter von 7 ½ Jahren und 8 Monaten. Beide Kinder haben den gleichen Vater. Im Sommer will Lea die beiden Mädchen adoptieren. Das ist in der Schweiz erst seit Beginn dieses Jahres möglich. Die künstliche Befruchtung ist für gleichgeschlechtliche Paare dagegen immer noch verboten, was Homosexuelle wie Lea und Eva dazu zwingt, andere Wege zu suchen, um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen.
Eva, war es für deine Partnerin und dich immer klar, dass ihr Kinder wollt?
Nein, mit 20 Jahren verkündete ich meiner Mutter, ich wolle keine Kinder. Dies aber aufgrund meiner Karrierepläne und nicht, weil ich lesbisch bin. Zehn Jahre später entwickelte sich dann doch ein starker Wunsch nach Kindern. Ich hatte nie das Gefühl, ich könne diesen Wunsch nicht realisieren, weil ich in einer Beziehung mit einer Frau lebte. Kinder zu haben war für mich eine Option, wie sie Heteropaare auch haben. Dann galt es meine Partnerin zu überzeugen, denn sie konnte es sich damals nicht vorstellen. Die Kinderfrage löste in unserer Beziehung viele Diskussionen aus. Doch dann entschied auch sie sich dafür, und heute ist sie sehr glücklich mit unserer Familie.
Welchen Weg habt ihr eingeschlagen, damit du schwanger werden konntest?
Zu Beginn haben wir viel über die Rolle des Vaters diskutiert. Zuerst hatten wir ein 50-zu-50-Modell im Kopf, das dem Vater eine relativ grosse Rolle zugesprochen hätte. Als wir einen passenden Mann gefunden hatten und in die «Umsetzungsphase» wollten, überkamen meine Partnerin Zweifel. Sie befürchtete, sie könnte das fünfte Rad am Wagen sein und zog die Notbremse. Für sie war dieser Schritt enorm wichtig, denn damals wurde ihr klar, dass sie wirklich Kinder wollte, und zwar mit mir alleine! Danach suchten wir jemanden, der transparent mit dem Thema umging, der bereit war, eine Beziehung mit seinen leiblichen Kindern aufzubauen, der aber nicht zur Kernfamilie gehören wollte und selber keinen Kinderwunsch hatte.
«Wir suchten jemanden, der transparent mit dem Thema umging, der bereit war, eine Beziehung mit seinen leiblichen Kindern aufzubauen, der aber nicht zur Kernfamilie gehören wollte und selber keinen Kinderwunsch hatte.»
Wie seid ihr vorgegangen?
Wir haben uns zwei Jahre lang im Bekanntenkreis umgehört und vorsichtig abgecheckt, ohne aufdringlich zu sein. Dann habe ich zufällig an einem Brunch ein Gespräch mitgehört, bei dem ein homosexueller Mann erzählte, er könne sich eine Samenspende grundsätzlich vorstellen, aber nicht anonym. Da wurde ich hellhörig. Ich erzählte es meiner Partnerin, und kurz darauf fragten wir ihn an. Nach einer Bedenkzeit sagte er zu.
Du wolltest die Kinder austragen. Wie wurdest du schwanger?
Wir wollten es ohne medizinische Hilfe probieren. Beim Vorgehen, das wir gewählt haben, ist es wichtig, dass es eher schnell geht, da der Samen weder ausgekühlt noch austrocknet sein darf. Also luden wir den Mann zum Zeitpunkt des Eisprungs zu uns nach Hause ein, dann gingen meine Partnerin und ich kurz in die Bäckerei. Als wir zurückkamen, übergab uns der Spender einen Becher mit Spermien und wir spritzen diese mit einer normalen Spritze (natürlich ohne Nadel!) in die Vagina. So wurde ich beim ersten Kind relativ schnell schwanger. Beim zweiten Kind dauerte es aufgrund meines Alters länger, bis es wieder klappte.
Wenn ihr keinen passenden Mann gefunden hättet, wäre Adoption eine Möglichkeit gewesen?
Nein, die Adoption war für uns keine Option, da wir es nicht begrüssen, wenn man ein Kind quasi aus seiner Kultur herausreisst. Dass gleichgeschlechtliche Paare Schweizer Kinder adoptieren können, ist leider aussichtslos – sowie übrigens auch die künstliche Befruchtung. Wir sind der Ansicht, dass ein Kind seine Herkunft kennen sollte, daher wäre eine Yes-Samenspende aus dem Ausland theoretisch in Frage gekommen. Bei dieser Variante kann das Kind im Alter von 18 Jahren Kontakt aufnehmen mit dem leiblichen Vater. 18 Jahre nicht zu wissen, woher man stammt, fanden wir aber zu lange und wir sind sehr froh, dass wir einen passenden Mann gefunden haben.
Wenn es mit der Spritze nicht geklappt hätte, schwanger zu werden. Hättest du dir vorstellen können mit einem Mann zu schlafen, um ein Kind zu zeugen?
Aus Liebe zu meiner Partnerin kam das nicht in Frage. Wir wussten, um schwanger zu werden entsteht kein Nachteil, wenn der Samen mit einer Spritze eingeführt wird.
Wie gestaltet sich die Beziehung des Vaters zu seinen beiden Töchtern? Welche Vereinbarung habt ihr getroffen?
Wir haben vor der Schwangerschaft oft über dieses Thema diskutiert und alle drei unsere Vorstellungen schriftlich festgehalten. Gemeinsame Grundidee war ein freundschaftliches Verhältnis zwischen ihm und den Kindern. Will heissen: Er kann jederzeit sagen, wenn er die Mädchen sehen möchte und sie, wenn sie alt genug sind, ebenfalls. Es gibt jedoch keine Regelmässigkeit. Wir sehen uns unregelmässig alle paar Wochen mal. Manchmal auch ohne Kinder. In seinem Umfeld geht er sehr diskret mit dem Thema um. Er hat es seiner Familie beispielsweise nicht erzählt. Vom Gesetz her hat er weder Rechte noch Pflichten. Er mischt sich nicht in Erziehungsfragen ein noch wirkte er bei der Namensdiskussion mit. Wir haben alle eine Absichtserklärung unterschrieben. Auf dem Papier bin ich alleinerziehend. Wir möchten jedoch, dass meine Partnerin die Mädchen adoptiert.
«Er kann jederzeit sagen, wenn er die Mädchen sehen möchte und sie, wenn sie alt genug sind, ebenfalls.»
Wann und wie habt ihr mit eurer älteren Tochter (7 Jahre) eure familiäre Situation besprochen?
Wir waren stets transparent. Sie hat von klein an gewusst, wer ihr Vater ist. Er kam öfter vorbei. Mit ungefähr 3 Jahren hat sie realisiert, dass in ihrer Familie etwas anders ist. Zum Beispiel, dass ihr Vater weiter weg wohnt und dass sie im Vergleich zu anderen Kinder zwei Mütter hat. Bis heute findet sie es toll, jemanden mehr zu haben. Gut möglich, dass sie irgendwann etwas Mühe damit haben wird. Dann, wenn ihr die Unterschiede noch deutlicher bewusst werden als heute. Sie ist jedoch stark, wir machen uns keine Sorgen um sie. Allgemein gehen wir sehr transparent mit dem Thema um, so besuchen wir beispielsweise zusammen den Elternabend. Wir machen damit gute Erfahrungen. Die Menschen um uns herum reagieren positiv, interessiert und aufgeschlossen. Einzig vom Gesetz werden wir diskriminiert.
Wie meinst du das?
Es ist sehr problematisch. Meine Partnerin hatte bis zur Eintragung unserer Partnerschaft letzten Sommer überhaupt keine Rechte. Wäre ich beispielsweise gestorben, wären die Kinder Vollwaisen geworden, und im schlimmsten Fall hätte man sie meiner Partnerin weggenommen. Wir haben zwar einen Vertrag abgeschlossen, doch wie die Richter im Ernstfall entschieden hätten, kann man nicht wissen. Seit der Registrierung ist immerhin unsere Beziehung definiert, aber auch das gibt ihr keine sicheren Rechte, was die Kinder angeht. Seit Anfang Jahr ist nun aber die Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare möglich. Meine Frau wird diese natürlich beantragen, sobald sie darf (die jüngere Tochter muss mindestens ein Jahr alt sein). Erst danach hat sie vollumfänglich die gleichen Rechte wie ich. Dass sie ein Jahr warten muss, um das Adoptionsgesuch stellen zu können, empfinden wir als Schikane.
«Meine Partnerin hatte bis zur Eintragung unserer Partnerschaft überhaupt keine Rechte. Wäre ich gestorben, wären die Kinder Vollwaisen geworden, und im schlimmsten Fall hätte man sie meiner Partnerin weggenommen.»
Wie sieht es bei euch daheim aus? Habt ihr eine klare Rollenverteilung, wer was macht?
Wir haben den Vorteil, dass wir nicht viele Vorbilder haben und deshalb weniger den Stereotypen zum Opfer fallen. Wir definieren unser Rollenbild selber. Wir leben eine gleichberechtigte Beziehung, beide arbeiten drei Tage in der Woche ausser Haus. Was nicht heissen will, dass wir nicht auch unsere Vorlieben in der Hausarbeit oder Kinderbetreuung haben. Ich bin der femininere Typ, mir entspricht die klassische Mutterrolle mehr. Meine Frau hingegen übernimmt lieber die gröberen Arbeiten, nicht aus einer gesellschaftlicher Erwartung heraus, sondern, weil es ihr mehr liegt.
Wie sieht die Beziehung zwischen deiner Partnerin und den beiden Mädchen aus?
Sie ist ganz einfach die Mutter. Eine aktive Mutter, die arbeiten geht, Karriere macht. Wir sind gleichberechtigt. Sie hat die genau gleich tiefe Beziehung zu den Mädchen wie ich, obwohl sie biologisch nicht von ihr stammen. Ich bin «Mami» und meine Partnerin «Mama».
* Die Namen haben wir auf Wunsch der Interviewten geändert.
Das Bild hat die Tochter des Paares gemalt.