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Zügeln mit Kindern – 5 Tipps, um Kinder auf eine grosse Veränderung vorzubereiten.
15 Sep 2017

Wir sind kürzlich umgezogen. Zum ersten Mal, seitdem wir Kinder haben. Dafür grad ein bisschen weiter weg – wir leben nun im Norden Neuseelands, wo wir voraussichtlich zwei Jahre lang bleiben werden. Nach dem Umzug ist für uns also vor dem Umzug. Klar, das ist jetzt nicht grad das typische Zügelszenario, trotzdem hätten wir einige dieser Erfahrungen wohl auch bei einen Umzug innerhalb Berns gemacht.

Während ich mich im Vorfeld auf die neuen Herausforderungen, Lebensbedingungen und Leute (meistens) freute, sind ja viele Kinder, unsere inklusive, eher vom Typ «Und täglich grüsst das Murmeltier» (Bill Murray – so gut!). Da passt natürlich eine Züglete nur so halb in ihr Konzept von Spass. Denn egal, ob die neue Heimat im Nachbardorf oder am anderen Ende der Welt liegt – ein Umzug bedeutet immer, liebgewonnene Gewohnheiten, Orte, Dinge und Menschen zurückzulassen. Was dabei an Neuem und Schönem gewonnen werden kann, ist für kleine Kinderhirne und -seelen im Voraus ja kaum vorstellbar. Unsere Buben waren dementsprechend in den letzten Wochen vor dem Umzug besonders dünnhäutig und wir Eltern waren gefordert, ihnen die Umstellung etwas leichter zu machen. Hier die fünf Strategien, die uns halfen, damit einigermassen klarzukommen.

Darüber reden – aber nicht ständig

Der Umzug war während Monaten ein fast tägliches Thema. Gut möglich, dass dieses Bedürfnis, viel darüber zu sprechen, vor allem von mir ausging. Teilweise musste ich mich auch selber ermahnen, es nicht allzu oft anzuschneiden. Da gilt es also immer wieder eine neue Balance zu finden, je nach Reaktion der Kinder, nach Stand der Planung usw. Dabei haben wir mit ihnen auch potentielle Schwierigkeiten des Umzugs und der neuen Situation besprochen. Was machen wir, wenn jemand unserer Familie nicht wohl ist am neuen Ort? Wie wird es sein, wenn sie die Sprache noch nicht verstehen? Und für sie sehr wichtig: Was tun wir, wenn der Container mit unserem Hausrat vom Schiff fällt? Auch in unserem Umfeld war der Wegzug natürlich Thema Nummer Eins. Schön, wie viele Leute mit uns mitfieberten und uns unterstützten. Was ich dabei jedoch gelernt habe: Die Frage «Freust Du Dich?» ist zwar die mit Abstand am häufigsten gestellte, aber für Kinder nicht unbedingt günstigste Frage, wenn es um grosse Veränderungen geht. Schöner ist doch: «Worauf freust Du Dich am meisten?» Nehme ich mir von jetzt an auch vor.

Ein Gespür für das neue Umfeld vermitteln

In den meisten Fällen ist es ja möglich, vor dem Umzug die neue Wohnung zu besichtigen, die Nachbarschaft auszukundschaften, die Schule zu besuchen oder schon mal im neuen Sportverein reinzuschnuppern. Da können die Kinder wunderbar mit einbezogen werden. In unserem Fall haben wir Leuten zugehört, die schon einmal vor Ort waren, Google Street View genutzt und verschiedene Filme geschaut. Welche Pflanzen und Tiere gibt es dort? Was ist die Geschichte eines Orts? Was arbeiten die Leute dort und welche Bräuche haben sie? Über solche Fragen finden Kinder sehr schnell einen Zugang zum noch Unbekannten.

Die Gunst der Stunde zum Loslassen nutzen

Möglichst minimalistisch zu wohnen ist schon länger ein Ziel von uns. Also uns Eltern. Unsere Kinder leben bezüglich der Anzahl Besitztümer eher nach dem Motto «Mehr ist mehr». Da entstanden regelmässig Spannungen, denn nichts lag mir ferner als der Gedanke, unnützen Plunder um den halben Globus zu schleppen. Und so war ich wochenlang voll im Entrümpelungs- und Entsorgungsfieber (Disclaimer: Oh doch, wir haben vielen unnützen Plunder um den halben Globus geschleppt). Gerade der älteste Sohn hat sich aber vor dem Umzug stark an Materiellem «festgehalten», wohl weil ihm Gegenstände in dieser Phase des Umbruchs noch etwas Stabilität vermittelten. Wir versuchten dem mit einer Mischung aus verschiedenen Ansätzen zu begegnen: Einen Teil seiner Sachen hat er selber an einem Flohmi verkauft, Weniges haben wir «verschwinden» lassen, ein paar Dinge wurden bei Verwandten eingelagert und schlussendlich haben wir dann doch mehr Kinderzeug mitgenommen, als mir lieb war.

Negative Gefühle zulassen

Unsere Kinder haben die letzten Monate vor dem Umzug unterschiedlich gut prästiert. Immer wieder kamen neben der Vorfreude auch schwierige Themen hoch, für die es viel Zeit brauchte. Der Gedanke daran, unsere Wohnung aufzugeben, war belastend. Plötzlich gelang es einem Kind kaum noch, sich von den banalsten Gegenständen zu trennen (Weihnachtsbaum, I am looking at you). In der Tagesschule gab es am letzten Tag Tränen, da es «heute zum ersten Mal richtig Spass gemacht hat». Ja, sich zu trennen tut manchmal verdammt weh! Das nicht zu beschönigen, fiel mir zeitweise schwer. Immer wenn es uns Eltern aber gelang, diese Gefühle zu akzeptieren, war es dann auch nach kurzer Zeit vorbei.

Im Guten abschliessen

In unserer Kita und im Kindergarten haben die Betreuerinnen ganz schöne Abschiedsrituale durchgeführt. Für etwas Besinnliches hat uns aber zuhause in den letzten Wochen vor dem Packen die Ruhe und Geduld gefehlt. Was sich bewährt hat: Wir haben einen Kalender aufgehängt und eingezeichnet, wie lange wir noch in der alten Wohnung schlafen und ihn dann auf die Reise mitgenommen. Ausserdem haben wir uns von der Wohnung verabschiedet, als sie ganz leer war – das war für mich selber wohl am schwierigsten, denn darin feierten wir viele wunderbare Feste und dahin kamen wir nachhause mit unseren drei Bébés nach dem Spital, sniff. Rückblickend haben wir vielleicht etwas gar viele Abschiede gefeiert – für uns Erwachsene war es schön, die Kinder waren aber zwischendurch komplett überfordert.

Und nun – fast drei Monate später – leben wir uns hier immer noch ein. Vor drei Wochen kam der Container mit unseren Besitztümern an, nachdem er wochenlang auf See gewesen war. Unsere Erkenntnis aus elf Wochen Leben ohne Hausrat (abgesehen von dem, was in fünf Koffern Platz hatte): Wir hätten noch viel mehr weggeben sollen. Das Wiedersehen mit unseren liebsten Sachen (der Plattenspieler, die Kindervelos, die Kaffeemaschine, der Lieblingsteppich, das gute Messer) war aber eine grosse Freude, denn sie haben uns auch ein Stück Heimat ans andere Ende der Welt gebracht.

Auch weit weg von der Heimat bleibt mein Herz in Bern. Ich werde nicht mehr so intensiv wie bisher, aber immer noch für Kleinstadt aktiv sein. Merci Sarah und Bruna, habt ihr mich ziehen lassen ;) und danke allen anderen fleissigen Händen und Köpfen, die dazu beitragen, dass es Kleinstadt gibt.