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So werden Abschiede leichter

Kindergarten- oder Schulstart, Tagesschule oder Kita: Das Verabschieden fällt vielen Kindern schwer. Was bei uns geholfen hat.
11 Aug 2022
Bilder — Unsplash

Wenn unsere Eltern früher weggingen, haben sie sich gerne einfach davongeschlichen, sobald wir Kinder mit dem Babysitter beschäftigt waren. Heute stehen uns beim Gedanken daran die Haare zu Berge, und für uns war immer klar, dass wir das nie tun würden. Aber wie gelingt ein «guter» Abschied – gerade bei Kindern, die grosse Mühe mit Übergängen haben? Wie schafft man es, nicht stundenlang im Kindergarten bleiben zu müssen, weil das Kind einem jedes Mal weinend am Bein hängt, wenn man gehen will?

Abschiede erleichtern: Folgendes hat bei uns geholfen

  • Genug Zeit einberechnen: Gerade bei kleinen Kindern kann eine Eingewöhnung einfach sehr, sehr viel Zeit erfordern. Sie müssen Vertrauen aufbauen. Nicola Schmidt hat das hier schön geschildert: Wenn wir davon ausgehen, dass es lange dauert und nicht ohne Rückschläge geht, ist es für alle einfacher.  «Abschiede dürfen traurig sein, und Tränen können dabei wie ein Ventil sein für den Schmerz: Seelenhygiene, die Begleitung bedarf, aber kein Trauma bedeutet», schreibt Nicola Schmidt. «Gerade in solchen Krisenmoment kann nämlich Bindung gestärkt werden, wenn das Kind spürt: Ich bin mit meinem Kummer nicht allein, sondern begleitet und gehalten.» Also die wichtigen Sitzungen vielleicht eher auf den Nachmittag legen, damit wir genug Reserve haben am Morgen. (Mehr zum Thema Eingewöhnung und der Auswahl einer guten Kita hier.)
  • Vorbereiten ist das A und O. Bei grösseren Kindern schon früh ab und zu einen Gesprächssprenkel dazu einbauen (wie Becky Kennedy hier (auf Englisch auf Instagram) empfiehlt. Da reichen ein paar Sätze. «In ein paar Tagen fängt schon die Schule an! Ich hab grad dran gedacht, wie schwierig es manchmal für mich als Kind war, wieder neu anzufangen. Und dann habe ich mich auch gefreut, ich hatte so widersprüchliche Gefühle dazu! Das war nicht immer einfach. (Pause) Willst du auch einen Apfel?») – Damit pflanzen wir den Samen, dass beim Schulbeginn Gefühle hochkommen könnten. Wir normalisieren die Gefühle auch. Und wenn das Kind dann von seinen Gefühlen überrumpelt wird, weiss es, dass das ok und quasi so vorgesehen ist – hat doch schon der Papa/die Mama erzählt.

«Abschiede dürfen traurig sein, und Tränen können dabei wie ein Ventil sein für den Schmerz: Seelenhygiene, die Begleitung bedarf, aber kein Trauma bedeutet.»

  • Visualisieren. Für uns Erwachsene ist es klar, was «Kita», «Kindergarten» oder «Schule» bedeuten. Kinder mögen vielleicht so wirken, als würden sie es rational verstehen – aber im Grunde sind dies alles nur abstrakte Konzepte für sie. Deshalb ist es wichtig, ganz spezifisch mit ihnen zu besprechen, wie das dann aussehen wird: «Am Morgen werden wir aufstehen, dann wirst du dich anziehen, wir werden frühstücken, Zähneputzen und dann zusammen bis zum Tor gehen. Du wirst dich von mir verabschieden und dann mit den anderen Kindern …» Etc. So spezifisch wie möglich, immer wieder den Ablauf durchgehen, bis ins Detail – und bis sich die Kinder schon nerven. (Etwa so, wie Skifahrer vor dem Start im Geist das Rennen durchgehen. Hier eindrücklich erklärt.)
  • Das Reservemüntschi. In diesem Artikel über Familientraditionen schön geschildert von Nicole Bischof: «Ich gebe meinen Kindern bei Verabschiedungen meist ein Müntschi (Küsschen) in die Hand. Dieses Reserve-Müntschi begleitet sie dann durch den Tag hindurch und sie können es sich jederzeit irgendwo hinmachen, wo sie es gerade gebrauchen können.»
  • Der Talisman: Einen Kraftstein, ein Haar- oder Armband, ein Halstuch vom Elternteil mitgeben – «das kannst du immer in die Hand nehmen/anschauen, wenn du Kraft brauchst!» Manche geben auch ein laminiertes Foto mit, auch das soll helfen.
  • Das Zeichen: Kann ein Gamechanger sein. Ein Handzeichen vereinbaren – und wenn das Kind dieses zeigt, kann das Elternteil sich verabschieden. Das Magische daran ist, dass wir damit dem Kind die Macht darüber geben, wann wir gehen. Es erlangt ein wenig Kontrolle über einen Moment, der für es sonst völlig unkontrollierbar ist. Was für manche nun nach Autoritätsverlust klingen dürfte, ist tatsächlich das Gegenteil: Abschiede sind so viel weniger schmerzhaft.
  • Den Rückschlag erwarten: Bei uns ging Neues meist die ersten Tage sehr problemlos – erst nach ein paar Tagen oder sogar Wochen begannen die morgendlichen Dramen. Kein Wunder. Dann hat sich die positive Aufregung über das Neue etwas gelegt, und die Kinder realisieren, dass das jetzt jeden Tag so sein wird … Also nicht wundern, wenn es erst ein paar Tage oder Wochen schwierig wird.
  • Bei Totalverweigerung: Eines unserer Kinder weigerte sich schon x-mal, morgens in den Kindergarten oder später in die Schule zu gehen. Und ein 25-Kilo-Kind trägt man dann auch nicht einfach hin wie ein Baby. Also was tun, wenn sich ein Kind total verweigert (und ein grösseres Problem mit der Schule/Klasse ausgeschlossen ist)?
    1. Druck rausnehmen.
    2. Spiegeln: Einfach wiederholen, was das Kind sagt («Du willst nicht gehen! Schule ist blöd!») – und so signalisieren, dass wir das Kind hören.
    3. Eine eigene, ganz konkrete Geschichte aus der Schulzeit erzählen. Als wir selber es einmal mega schlimm fanden, was das für schreckliche Gefühle waren – und wie es trotzdem gut kam.
    4. Wenn das Gröbste raus ist: Fragen, was helfen würde (ein Plüschtier mitnehmen? Mit der Lehrerin über die blöde Hausaufgabe sprechen? Ein anderes Znüni?) Oftmals sind es scheinbare Kleinigkeiten, die einen grossen Unterschied machen.
    4. Begleitangebot machen: Ich komme mit, bis du mir ein Zeichen gibst, dass ich gehen kann (und das Versprechen dann auch einhalten!)
    Wenns ganz schlimm wurde und das Kind nicht aus der Verweigerung rauskam, half auch schon der Satz, «Weisst du, du kannst deine Meinung ändern. Es ist ok, wenn das Denken die Richtung wechselt.»
    So haben wir es – mit viel Zeit und Geduld – noch jedes Mal geschafft. Und es hat sich gelohnt. Unterdessen geht das Kind fast immer ohne Drama.
  • Wiedersehen macht (nicht immer) Freude: Am Ende des Tages nicht erstaunt sein, wenn das Kind völlig ausflippt über eine Kleinigkeit oder das Geschwister haut – es hat sein ganzes Kooperationspotenzial in der Kita, dem Kindergarten oder der Schule ausgeschöpft und kann einfach nicht mehr. Es kann aber auch nicht sagen, dass es müde sei und Rückzug braucht – es kann einfach nicht! Grad an der Türe empfangen oder sogar mit einem Snack abholen, hat bei uns ein wenig geholfen – Zuckertief wird verhindert und Gefühle können früh aufgefangen werden. Aber letztlich muss dann wohl einfach etwas raus, das sich am Tag aufgestaut hat. Dann hilft nur noch das Mantra: «Alle Gefühle sind willkommen!»

Was hilft euch und euren Kindern bei schwierigen Abschieden?