Nina Tegeltija führt zusammen mit ihrer Schwester Lara die Firma Lost&Found, die wunderbare Portemonnaies, Taschen und Accessoires aus Leder anbietet (wir lieben ihre Mini-Taschen!). Nach drei Jahren in London und zweieinhalb Jahren in Bahrain kehrt Nina mit ihrem Mann und ihren drei Kindern (9, 7 und 5) bald in die Schweiz zurück. Das Interview aus Bahrain ist Teil unserer Serie, in der wir in loser Folge Schweizer Mütter und Väter, die im Ausland wohnen, porträtieren (Teil 1: Unser Leben in… Paris).
Lost&Found bietet allen Kleinstadt-LeserInnen bis am 9. Dezember 2017 einen Rabatt von 15% auf dem gesamten Sortiment. Die Konditionen findet ihr am Ende des Interviews.
Nina, welche drei Worte beschreiben Bahrain für dich am besten?
Multikulturell, tolerant und gemütlich.
Was hat euch an den Persischen Golf gebracht?
Wir lebten seit drei Jahren in London, als mein Partner ein Stellenangebot eines Bahrainischen Telekom-Unternehmens erhalten hat. Im Herzen sind wir beide Nomaden und waren vor der Geburt unserer Kinder sehr viel unterwegs. In neue Kulturen einzutauchen und uns anzupassen liegt uns also. Allerdings fiel es uns schwer, London zu verlassen, denn wir fühlten uns dort sehr wohl und wären auch gerne noch etwas länger geblieben.
«Es fiel mir schwer, mich an den hiesigen Fahrstil zu gewöhnen, der ist ziemlich kriminell und chaotisch. Inzwischen fahre ich wie eine Einheimische.»
Was war bei der Ankunft in Bahrain am schwierigsten?
Wir kamen Ende August in Bahrain an, also in der heissesten und feuchtesten Zeit. Da man sich dann kaum draussen aufhalten kann, mussten die Kinder oft drinnen spielen, das war für sie eine grosse Umstellung. Wir haben auch die grüne Natur vermisst, wie wir sie aus der Schweiz kennen, hier ist es meistens staubig und sandig, nicht-künstliche Grünflächen sind rar. Schwer fiel mir auch, mich an den hiesigen Fahrstil zu gewöhnen, der ist ziemlich kriminell und chaotisch. Nun habe ich aber meine Scheu abgelegt und fahre wie eine Einheimische.
Und was lief gut bei der Umstellung?
Ab November war das Klima dann sehr angenehm, und die Kinder haben sich in der internationalen Schule rasch eingelebt – die Schule folgt dem britischen Curriculum, diesbezüglich gab es also keine grosse Umstellung. Wir sind alle sehr beeindruckt von der Internationalität hier – rund die Hälfte der Einwohner sind Expats aus der ganzen Welt, und doch kommt man auch mit der lokalen Bevölkerung und dem «alten Bahrain» in Berührung. Dadurch, dass wir bereits vorher viel gereist sind, war der Umzug hierhin für die Kinder insgesamt kein grosser Schock.
«Viele Expats haben Vollzeit-Angestellte, die bei ihnen im Haus wohnen und auch für die Kinderbetreuung zuständig sind – das wollte ich nicht.»
Wie verläuft euer Alltag?
Morgens bringt meistens mein Mann auf dem Weg zur Arbeit die Kinder in die Schule, die Fahrzeit beträgt rund 30 Minuten dahin. Die Kinder besuchen alle die gleiche Schule, ab 3-jährig können sie dort in die Pre-Nursery. Währenddem die Kids in der Schule sind, arbeite ich von zu Hause aus für Lost&Found. Bereits um 13:45 Uhr ist die Schule aber fertig und ich hole die Kinder ab. Die Nachmittage verbringe ich mit den Kids, oft sind wir unterwegs für ihre Hobbys: Die Buben spielen beide Fussball und Tennis, die Jüngste geht ins Ballett. Für hiesige Verhältnisse haben wir nur wenig Hilfe im Haushalt, dreimal wöchentlich kommt unsere Haushaltshilfe, sie putzt, räumt auf und hilft beim Essen vorbereiten. Viele Expats haben Vollzeit-Angestellte, die bei ihnen im Haus wohnen und auch für die Kinderbetreuung zuständig sind – das wollte ich aber aus verschiedenen Gründen nicht. Meine Tage sind also voll mit Arbeit und den Kindern, Zeit für mich selber habe ich kaum.
Wie ist es, gemeinsam mit deiner Schwester ein Unternehmen aus zwei verschiedenen Zeitzonen zu führen?
Ganz einfach ist es nicht. Ich bin zwar die Gründerin von Lost&Found, in den letzten Jahren hat aber klar meine Schwester Lara das Geschäft geführt. Das operative Tagesgeschäft von hier aus zu leiten, ist einfach nicht möglich, wir haben unterdessen zwei Vollzeit-Angestellte und mehrere Mitarbeiterinnen im Stundenlohn. Meine Verantwortung liegt nun vorallem im Bereich Finanzen, ich bin für den Online-Shop zuständig und für die Beziehungen zu den Produzenten. Diese Dinge kann ich recht gut von hier aus steuern, da sie keine Präsenz vor Ort verlangen. Ausserdem berate ich Lara bei strategischen Fragen, und neue Produkte entwickeln wir immer gemeinsam.
«Bahrainerinnen kennenzulernen ist nicht so einfach: Sie leben häufig im engen Kontakt mit ihren Grossfamilien und sind dadurch sehr absorbiert.»
Hast du Freundschaften geschlossen? Wie muss man sich das Sozialleben vorstellen?
Die meisten meiner Freundinnen habe ich über die Schule unserer Kinder kennengelernt, es gibt ein reges Sozialleben unter den Expats und man unternimmt viel gemeinsam. Bahrainerinnen kennenzulernen ist hingegen nicht so einfach: Sie leben häufig im engen Kontakt mit ihren Grossfamilien und sind dadurch sehr absorbiert, ausserdem sind es viele von ihnen wohl auch etwas müde, sich mit Expats zu befreunden, welche dann nach zwei Jahren wieder abreisen. Das Leben hier ist sehr entspannt, die Leute nehmen sich Zeit und die Freizeit ist viel spontaner und weniger strukturiert als in der Schweiz. Ein Konzert wird beispielsweise typischerweise eine Woche vorher angekündigt – hier plant niemand Wochen im Voraus ein Treffen! In meinem Freundeskreis hat es einige Frauen mit eigenen Start-Ups, es sind Leute aus der hiesigen kreativen Gemeinschaft, dieser Austausch macht mir Spass und ist sehr bereichernd.
Bahrain pflegt enge Beziehungen zum benachbarten Saudiarabien. Ist die Kultur bei euch auch so konservativ?
Kulturell ist die Bahrainische Gesellschaft äusserst vielfältig. Man findet von den stark konservativen Familien, in welchen Frauen den Niqab tragen, bis zu den sehr liberalen die ganze Bandbreite – Frauen im Minirock trifft man also in Bahrain auch an. Die Toleranz ist sehr gross, diesbezüglich beeindrucken mich die Bahrainis. Ich besuche gerne die arabischen Stadtteile, Dörfer und ihre vielfältigen Souks: Das Leben hier zu beobachten hilft mir auch, viele der in Europa weit verbreiteten Vorurteile abzubauen.
«Die Kinder des Bahrainischen Mittelstands und der Oberschicht sind viel ‹verwöhnter› als das durchschnittliche Schweizer Kind. Alle solchen Familien haben Angestellte, die Kinder müssen im Haushalt nichts mithelfen.»
Was machen Bahrainis anders im Umgang mit Kindern als SchweizerInnen?
Bahrain ist ein sehr kinderliebendes Land, Kinder sind überall willkommen und unsere blonden Kids geniessen immer besondere Aufmerksamkeit. Aber die Liebe für Kinder hat auch ihre Kehrseiten: Die Kinder des Bahrainischen Mittelstands und der Oberschicht sind sicher viel «verwöhnter» als das durchschnittliche Schweizer Kind. Alle solchen Familien haben Angestellte, die Kinder müssen im Haushalt nichts mithelfen. Als problematisch fällt mir auch der Umgang mit Elektronik und Esswaren auf: Diesbezüglich erhalten die Kinder kaum Grenzen Ihrer Eltern, es ist hier völlig normal, dass Kinder nachmittagelang am iPad hängen, Junkfood und Süssigkeiten sind an der Tagesordnung. Was auch ganz anders ist: Bahrainis sind Nachtmenschen, ihr Leben beginnt eigentlich erst richtig bei Sonnenuntergang. Dass Kinder um Mitternacht hier noch draussen spielen, ist keine Ausnahme. Da unsere normalerweise um 20h im Bett sind, ist es beispielsweise bei Einladungen jeweils ein bisschen schwierig – aber da gilt es dann halt jeweils, flexibel zu sein.
Bald kehrt ihr in die Schweiz zurück, wie stellst du dir das neue Leben vor?
Da gehen die Vorstellungen in unserer Familie recht auseinander! Unsere Kinder stellen sich vor, dass wir dann immer Skifahren, Schlitteln und Wandern gehen – wie sie es halt aus ihren Ferien in der Schweiz kennen. Für sie wird es wohl eine Herausforderung, dass sie die Schule nun zum ersten Mal auf Deutsch absolvieren werden. Ich selber freue mich sehr darauf, wieder in der Nähe meiner Familie zu sein, bei Lost&Found wieder richtig einzusteigen und das Geschäft weiter vorwärts zu bringen. Schwierig wird sicher, dass wir unser grosszügiges Haus gegen eine deutlich kleinere Wohnung tauschen müssen und eine Haushaltshilfe, die drei mal wöchentlich kommt, auch keine Option ist.
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Dieser Beitrag entstand in Kooperation mit Lost&Found.
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