69, gelernte Laborantin, pensioniert. Zwei Söhne (Jg. 79 und 80), zwei Grosskinder.
«Ich habe vor der Geburt meines ersten Sohnes 100% im Labor gearbeitet. Einen Mutterschaftsurlaub gab es damals noch nicht, ich habe einfach gekündigt, als ich etwa im vierten oder fünften Monat schwanger war. Mein Mann war als Berufsmilitär viel unterwegs, es war klar, dass ich mich daheim um die Kinder kümmern würde. Finanziell war es eher eng, wir haben uns an die Decke gestreckt, aber wir hatten unser Budget im Griff. Kinderkleider konnten wir viele nachtragen von Cousins oder wir kauften an Börsen, etwas Neues gab es ganz selten.
«Nicht mehr arbeiten zu müssen,
war ein Geschenk»
Ich habe die Arbeit damals nicht vermisst – für mich war es vielmehr ein Geschenk, eine Zeit lang nicht mehr arbeiten zu müssen, auch wenn ich im Grunde gern gearbeitet hatte. Ich freute mich nach zehn Jahren im Berufsleben auf eine Auszeit. So konnte ich mich voll auf die Kinder konzentrieren, es war eine glückliche Zeit in meiner Erinnerung. Als die Kinder grösser waren, sprang ich ab und zu als Aushilfe ein und fing später an, in der Bibliothek zu arbeiten. Zurück in meinen alten Beruf zu gehen, hätte ich mir nicht zugetraut – Wiedereinsteigerinnen-Kurse kamen damals erst auf. Und es stand anfänglich auch gar nicht zur Diskussion. Ich erinnere mich, dass ich sehr erstaunt war, als eine Mutter aus der Nachbarschaft sagte, sie gehe jetzt wieder arbeiten, in den Loeb. Das war damals noch nicht sehr üblich.
Das hat sich extrem verändert. Man kann es nicht vergleichen. Ich sehe aber, dass die Mütter heute viel überlastet sind, ihnen die Decke auf den Kopf fällt, das hatte ich nie, wenn ich mich richtig erinnere. Die Fremdbetreuungsmöglichkeiten wie die Kitas sehe ich aber als Gewinn.»
62, gelernte Keramikmalerin, Aktivierungsfachfrau, frühpensioniert. Zwei Töchter (Jg. 78 und 81), vier Grosskinder.
«Als meine jüngere Tochter etwa einjährig war, trennten wir Eltern uns. Von da an war ich alleinerziehend. Es war eine schwierige Zeit. Ich lebte in Basel, wo ich keine Verwandten hatte, beide Grosseltern meiner Kinder lebten im Berner Oberland. Einzig von den Schwiegereltern wurde ich finanziell ein wenig unterstützt. Damals gab es noch nicht so viele externe Betreuungsmöglichkeiten wie heute, und für mich war es schwierig, einen Job zu finden. Ich war schon seit der Geburt der ersten Tocher als Tagesmutter tätig und engagierte mich im Tagesmütterverein, welcher in dieser Zeit neu gegründet wurde. Ich kümmerte mich für 2.20 Franken pro Stunde um Kinder von alleinerziehenden Müttern. Dass Mütter arbeiten gehen, war damals überhaupt nicht selbstverständlich, und ich habe noch meine Schwiegermutter im Ohr, die damals meinte: «Was musst du zu den Kindern fremder, berufstätiger Frauen schauen?»
Der Vater nahm die Kinder 1-2mal monatlich übers Wochenende zu sich. Zu mehr Unterstützung fühlte er sich damals nicht verpflichtet, ich trug die ganze Verantwortung für unsere Töchter allein. Das habe ich damals einfach so als normal hingenommen. Er sagte mir sogar einmal, ‹ich muss dir doch nicht deine Kinder hüten›! Das würde ich heute nicht mehr hinnehmen. Ich würde den Vater viel stärker in die Betreuung einbinden. Auch finanziell würde ich mehr von ihm erwarten.
«Ich machte alles einfach
aus dem Bauch heraus»
Da ich als Tagesmutter zu wenig verdiente, nahm ich eine Stelle als Haushalthilfe in einem Jugendheim an. Ich stand morgens sehr früh auf, brachte die kleinere Tochter zu ihrer Tagesmutter und fuhr mit der älteren Tochter zum ‹Gumpiross›, einem ‹Kinderladen›, so etwas wie eine alternative Kita. Dann fuhr ich mit dem Bus zur Arbeitsstelle und um 12:30 Uhr ‹sammelte› ich die Kinder wieder ein. Das war sehr streng.
Später zog ich mit meinen Töchtern zu einer alleinerziehenden Pfarrerin ins Pfarrhaus und kümmerte mich um ihren Sohn und den Haushalt. Es gab da diesen grossen, verwilderten Garten, und ich habe diese Zeit als sehr glücklich in Erinnerung. Diese Art zu leben entsprach mir mehr, ich war ein wenig eine Hippiemutter und nicht so strukturiert. Später empfand ich die Kinder manchmal auch als Last, und ich freute mich, sie ab und zu abgeben zu können. Ich war eine junge Frau und habe mich auch ab und zu verliebt und wollte das Leben geniessen. Zugleich plagte mich dann manchmal das schlechte Gewissen den Kindern gegenüber.
Damals waren die Männer viel weniger in die Kinderbetreuung eingebunden. Die Betreuungsmöglichkeiten waren eingeschränkter. Trotzdem glaube ich, dass es die jungen Mütter heute in einigen Dingen schwerer haben. Die Ansprüche sind extrem hoch. Der Beruf hat heute einen hohen Stellenwert, die jungen Mütter müssen so vielem gerecht werden. Auch die Kindererziehung ist viel, viel anspruchsvoller geworden, weil man einfach so viel weiss. Ich habe damals als 23-, 24-jährige Frau 3 bis 4 Kinder als Tagesmutter betreut. Ich machte vieles aus dem Bauch heraus und konnte meine Kinder oft einfach von Herzen geniessen. Manchmal habe ich mich mit meinen Freundinnen ausgetauscht, es gab diese Elternbriefe von Pro Juventute, die damals ziemlich moralisierend waren und mir eher Schuldgefühle aufhalsten.»
68, gelernte Pharmaassistentin, pensioniert. Zwei Söhne (1976 und 1978), ein Grosskind.
«Damals waren die Rollen stärker getrennt: Der Mann war einfach der Ernährer. Und es gab auch nicht die gleichen Betreuungsmöglichkeiten wie heute. Wer Grosseltern hatte, die mithalfen, hatte Glück. Meine Schwiegermutter sagte mir von Beginn an: Deine Kinder hüte ich nicht! Sie war Ärztin und eine sehr harte Frau. Meine Mutter genoss es aber zum Glück sehr, die Kinder zu betreuen. Diesbezüglich war ich privilegiert.
Als meine Söhne in den Kindergarten gingen, dauerte der noch von 9 bis 11 Uhr. Wenn ich da etwas machen wollte, raste ich in die Stadt, schaute auf die Uhr und raste wieder heim. Ich habe mir so gewünscht, einfach mal einen Nachmittag in die Stadt zu gehen, ohne auf die Uhr zu schauen. Dieses Angebundensein! Gleichzeitig sagte ich mir jeweils: Du hast diese Kinder gewollt, also musst du auch zu ihnen schauen.
«Ich war gut situiert,
aber quasi alleinerziehend»
Ich hatte zuvor als Pharmaassistentin gearbeitet, noch bis drei Tage vor der Geburt meines älteren Sohnes stand ich im Labor meiner Schwiegermutter. Nach 10 Jahren im Beruf hatte ich etwas die Nase voll. Man hatte ja damals auch noch nicht die Möglichkeiten wie heute. Ich hatte immer die fixe Idee, vor 30 Kinder zu haben, und zwar relativ nah aufeinander. So freute ich mich dann sehr auf die Kinder, auf das Muttersein, auch wenn ich noch heute manchmal scherze: Ich hätte euch manchmal gerne einen Nachmittag lang in die Tiefkühltruhe gesteckt! Kinder zu haben, ist etwas Wunderschönes, aber sie können einem einfach auch richtig nerven. Es ist doch normal, dass man auch mal genervt ist!
Mit 33 hatte ich eine riesige Krise. Ich sass daheim mit zwei Kindern, hatte zwar einen Mann, der Karriere machte, sah ihn aber kaum je, und fragte mich: Ist das jetzt alles? Dann fing ich zuerst an, Sport zu treiben. Und dann kam das erste Jobangebot. Ich fing als Stellvertretung im Labor der Apotheke eines Bekannten an und arbeitete am Anfang nur von 9 bis 11:30 Uhr. Arbeit war für mich ein Privileg, ich war finanziell nicht darauf angewiesen, weil mein Mann als Arzt gut verdiente.
Seine Karriere hatte ihre Schattenseiten. Ich kümmerte mich um das Haus, 1500 Quadratmeter, 11 Zimmer, traf sämtliche Vorbereitungen für Ferien stets allein. Das Gute war: Ich konnte selber entscheiden. Aber von 10 Elternabenden war ich 8 mal alleine. Die Abschlussfeier an der Uni beim Älteren oder an der ETH beim Jüngeren – der Vater war nicht dabei. Ich war gut situiert, aber quasi alleinerziehend.»
Welche Erinnerungen habt ihr an das Kinderhaben in den 80er-Jahren? Oder hat euch eure Mutter erzählt, wie es für sie war? Wir freuen uns über einen Austausch in den Kommentaren.