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Windelfreiheit mit Grossen

Das Trockenwerden muss kein monatelanger Kampf sein. Mit einer simplen Methode gehts in einer Woche. Drei Erfolgsmeldungen.
23 Okt 2017
Bild — Yvo Casagrande

Kann das Kind mit beiden Beinen gleichzeitig hüpfen? Interessiert es sich für Pipi und Kacka? Kann es seine Hose schon selbst herunter- und wieder hinaufziehen? Herkömmliche Methoden zum Trockenwerden mahnen Eltern immer wieder dazu, erst zu warten, bis das Kind gewisse Signale sendet, bevor es trocken werden könne. Dabei ist das Warten auf die klassischen Zeichen überholt.

Seit dem Aufkommen der Wegwerfwindel ist das Alter, mit dem Kinder trocken werden, kontinuierlich angestiegen. Ende der 50er-Jahre waren in den USA 90 Prozent aller Kinder im Alter von 2 Jahren tagsüber trocken. Heute sind die allermeisten es erst mit 3 Jahren. Über die Gründe für diese Entwicklung wollen wir hier nicht schreiben (wir verweisen lieber auf diesen Dok-Film), sondern vielmehr Mut machen: Die Kinder sind schon viel früher bereit, aufs Töpfchen zu gehen, als die Industrie uns weismachen will.

Unsere Söhne sind mit einer Methode trocken geworden, die unabhängig von den üblichen Zeichen der Bereitschaft funktioniert – die Jungs waren zwischen 2- und 3-jährig, und das Prozedere dauerte kaum mehr als zwei Wochen, dann klappte es mit dem Töpfchen in der grossen Mehrzahl der Fälle. Zuvor lasen wir «The Tiny Potty Training Book» von Andrea Olson. Die Amerikanerin liefert eine Anleitung, wie Kinder ab 18 Monaten in gut 7 Tagen trocken werden. Leider ist das Buch nur in Englisch erhältlich (hallo Verlage!). Und es ist auf den ersten Blick mit fast 130 Seiten auch ziemlich abschreckend. Aber die – stellenweise redundante – Lektüre lohnt sich. (Nachträgliche Anmerkung der Redaktion: Mehrere Leserinnen haben uns auf diese deutsche Kurzversion von windelwissen.de aufmerksam gemacht; sieht nach der genau gleichen Methode aus! Wir habens nicht geprüft, geben den Tipp aber gern weiter.)

Ziel der Olson-Methode ist es in einem ersten Schritt, den elterlichen Blick zu schärfen dafür, wann das Kind mal muss. Und dem Kind dann klarzumachen, wie es sein Geschäft erledigen kann. Dabei kommen weder Strafen noch Belohnungen zur Anwendung, es ist ein achtsames Üben für Kind und Eltern. Das Einzige, was man dafür braucht, sind einige freie Tage Zeit ohne Ablenkung oder Verpflichtungen. Also erst einmal den Kalender freiräumen, dann folgen drei Phasen. Phase 1, die eigentliche Trainingsphase, besteht wiederum aus drei Schritten:

1. Schritt – Nackt zuhause üben: Diese erste Phase ist die wichtigste. Teppiche einrollen, dem Kind ein langes Shirt und Stulpen anziehen, alle Termine absagen, das Handy ausstellen, Windeln gemeinsam wegschmeissen und erst einmal beobachten. Die meisten Kinder haben ein eigenes Timing und eine Art Pipi-Tanz; ein Verhalten, das sie zeigen, wenn sie mal müssen. In der ersten Phase sollen die Eltern lernen, die Signale des Kindes zu lesen. Und dabei auch auf die eigene Intuition zu hören: Riecht oder «fühlt» man Pipi, so eine Art Phantom-Zeichen, ist das lustigerweise auch eine erstaunlich zuverlässige Vorwarnung. Jedes Mal, wenn das Kind pinkelt, auch wenns daneben geht, zeigen die Eltern ihm, wo das Pipi hingehört und begleiten es aufs Töpfchen. Wenn es sich anfühlt, als habe es beim Kind «Klick» gemacht, normalerweise nach ein bis zwei Tagen, gehts weiter zum …

2. Schritt – Kurze Ausflüge mit Kleidern, daheim weiterhin nackt: Wer es nicht selbst erlebt hat, kann sich kaum vorstellen, wie aufgeregt man bei einem Gang zum Bäcker an der Ecke sein kann. Bei ersten kleinen Outings mit Kleidern gehts darum, das Vertrauen (vor allem der Eltern) zu stärken, dass es ohne Windeln geht. Dafür reicht ein fünfminütiger Spaziergang.

3. Schritt – Daheim angezogen, längere Ausflüge: Klappen die kleinen Ausflüge, ist es Zeit, auch daheim Hosen anzuziehen und grössere Unternehmungen zu wagen. (Eine hilfreiche Versicherung ist dabei ein portables Töpfchen wie die Potette Plus, das überall aufgeklappt und benutzt werden kann.) Für den Mittagsschlaf und nachts kann das Kind noch Windeln anziehen, wenn es das noch möchte.

In Phase 2 ist das Kind eigentlich schon trocken. Nun geht es darum, Routine zu erlangen. Und in der dritten Phase lernt das Kind auch bei Schläfchen tagsüber und nachts trocken zu bleiben.

Wir empfehlen dieses Buch, weil die Methode bei uns so gut geklappt hat. Auch zunächst eher skeptische Väter hat es überzeugt. Drei – mehr oder weniger begeisterte – Erfolgsmeldungen:

«Wir waren alle überrascht, wie rasch und gut es klappte»

Bruna mit Camille, trocken mit 2
«Nach dem Gespräch mit Jamuna Schläfli war klar: Wir mochten nicht mehr wickeln. Mein damals knapp zweijähriger Sohn wollte schon länger keine Windeln mehr wechseln. Und obschon er keinerlei Interesse für WC oder Häfi zeigte, trauten wir ihm nun zu, zu lernen, wie das ging mit der ‹elimination communication›.
Die freien, fokussierten Tage des Übens zuhause waren wichtig bei uns, wir waren dann doch alle überrascht, wie rasch und gut es klappte. Anfangs sogar nachts, so dass wir auch hier die Windeln wegliessen. Nach ein paar Monaten gabs dann plötzlich nasse Leintücher – und, bestärkt durch diesen Post von Frau Olson, seither wieder Pull-ups unter dem Pijama. Meistens bleiben sie trocken. Aber wir schlafen alle entspannter damit, und unser Sohn wird Bescheid geben, wenn er sie nicht mehr tragen will.
Übrigens war nicht Sommer, als wir uns ans Üben gemacht haben: Draussen nackt sein war nur begrenzt möglich. Zum Glück haben wir uns trotzdem getraut – und erneut erlebt, wie kompetent kleine Kinder sind.»

«Die unflexible Philosophie war kontraproduktiv, da lockerten wir das Regime»

Elisa mit Dario, trocken mit knapp 3
«
Freundinnen berichteten mir begeistert von ‹The Tiny Potty Training Book› von Andrea Olson. Beim Lesen kam uns die Herangehensweise übertrieben amerikanisch vor. Trotzdem wollten wir den Versuch wagen. Mit Bisi hatte der Sohnemann schnell den Dreh raus. Aber Gagi ging regelmässig in die Hose. Nach mehreren Tagen hatten wir die Nase voll vom braune Hosen Auswaschen. Mein Sohn ist kein Freund radikaler Veränderungen. Fühlt er sich unter Druck, legt er den Rückwärtsgang ein. Natürlich war da die unflexible Philosophie ‹Nie mehr zurück zu Windeln› kontraproduktiv! Also lockerten wir das Regime. Am Morgen durfte der Knopf die Nachtwindel fürs Gagi anbehalten. Siehe da, von dem Tag an setzte er sich fürs grosse Geschäft bereitwillig aufs Töpfchen. Kleine Leute sind nicht alle aus dem gleichen Holz geschnitzt. Wie soll es denn ein pauschales Rezept geben, das bei allen hinhaut, Frau Olson?»

«Die Befreiung war grandios»

Sarah mit Ruben, trocken mit 1 ½
«Kinder signalisieren angeblich, wann sie bereit sind, um aufs Töpfchen zu gehen. Unser Sohn zeigte mit anderthalb kein einziges dieser Signale. Er konnte ewig mit voller Windel weiterspielen und wehrte sich mit Treten und Hauen gegen das Wickeln. Nachdem wir schon von unserem ersten Kind (trocken mit 2 ½) wussten, wie gut die Methode funktionierte, haben wir es an einem heissen Juni-Wochenende wieder gewagt – und liessen nach der Andrea-Olson-Anleitung im eBook die Windel einfach weg. Seither hat er kein einziges Mal mehr eine getragen. Auch nachts wollte er von Beginn weg keine mehr. Das bereitete uns die grösste Sorge: Schliesslich war bis dahin die Nachtwindel jeweils morgens zum Bersten voll gewesen. Doch das Bett blieb trocken. Es gab mehr Unfälle als damals bei unserem schon etwas älteren Sohn beim Trockenwerden, aber wir wussten ja, dass es irgendwann gut kommt. Die Kita half auch mit. Obwohl wir bei ihm keinerlei Signale erkannten, zogen wir es durch, setzten ihn einfach bei allen Transformationen aufs Töpfchen und gewannen nach und nach Vertrauen. Die Befreiung war grandios. Erstmals seit Jahren ohne Windlen in die Ferien! Erst im Nachhinein dämmerte uns: Eigentlich hatte er uns mit seinen Abwehrkämpfen schon deutlich gezeigt, dass er keine Windeln mehr wollte.»

Wer gar nicht erst mit Windeln anfangen möchte, kann sich in unserem Teil 1 zum Thema inspirieren lassen: Windelfreiheit für Kleine.