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Wolf im Hasenpelz

Was ist das für ein neues, sabberndes Wesen in der Familie? Das Kinderbuch «Wolfi der Hase» thematisiert Geschwisterneid auf witzige Art.
Kooperation
4 Okt 2017
Illustration — CinCin

Nora hat genug von ihren verzückten Eltern, dem ewigen Gesabbere und den schlaflosen Nächten. Seit es der Hasenfamilie ein Wolfsbaby ins Haus geschneit hat, kommt das Hasenmädchen immer an zweiter Stelle. Das 2015 erschienene Bilderbuch «Wolfie the Bunny» (auf Deutsch «Wolfi der Hase», übersetzt von Thomas Bodmer) von Ame Dyckman und Zachariah OHora ist ein liebevolles Buch über Geschwisterneid und Geschwisterliebe, erzählt in grafisch-verspielten Bildern. Schon nur das tolle Cover mit Wolfi im rosa Hasenkostüm auf gelben Hintergrund möchte man gleich an die Wand hängen.

Die amerikanische Autorin Dyckman, die auch ein Kinderbuch gegen den Einhorn-Hype («You Don’t Want a Unicorn!») verfasst hat, schreibt hinten im Buch über die Inspiration zu Wolfi: «Meine Tochter war ein süsses Kleinkind, ausser wenn sie müde war. Dann war sie wie verwandelt. ‹Sie ist ein Wolfsbaby!›, sagten ihr Vater und ich dann jeweils.»

Bild — CinCin

Für den Illustrator OHora ist das Buch auch eine Hommage an das Viertel Park Slope in Brooklyn, in dem er und seine Familie einst gewohnt haben. «Wir hatten eine Wohnung ‹auf Gartenhöhe›, was in der New Yorker Maklersprache bedeutet: ‹Du wohnst im Untergeschoss.» Es war eine schöne Zeit für uns frischgebackene Eltern.» Etwas von dieser Stimmung habe er in die Illustrationen einfliessen lassen wollen. Die Hasenfamilie lebt dann auch in einem typischen Brooklyn-Backsteinhaus und kauft die Rüebli mit dem Jutebeutel im hippen Gemüseladen des Quartiers, der auch «hiesigen Bio-Glücksbambus» im Angebot hat.

Universal sind jedoch die Themen, die Dyckman in kurzen Sätzen gekonnt skizziert. Das Dilemma, in dem sich die ältere Schwester befindet, offenbart sich gleich in der Anfangsszene. Als sie das Wolfsbaby in einem Moseskorb vor ihrer Haustüre finden, sind die Eltern entzückt – und blind vor Liebe: «Er ist süss», sagte Mama. «Er gehört uns!» sagte Papa. «Er wird uns alle auffressen!», sagte Nora. Papa rühmt den Kleinen, wo er nur kann: «Er ist ein guter Esser!» (als er alle Möhren weggegessen hat), «Er ist ein guter Schläfer!» (als Nora und ihre Freunde leise sein müssen), «Er ist ein guter Sabberer!» (als er auf Noras Zeichnung sabbert) und Noras Abscheu gegenüber dem merkwürdigen Wesen, das mittlerweile grösser ist als ihre Eltern, wächst und wächst.

Mehr als nur um die Veränderungen und die Hürden, die ein kleines Geschwister mit sich bringen, wird «Wolfi der Hase» in den USA auch als Buch gepriesen, dass mit den Themen interkulturelle Familien und Adoption auf unsentimentale und erfrischende Weise umgeht. Denn egal ob adoptiert oder nicht, Hase oder Wolf: gegen einen hungrigen Bären (er trägt ein zu enges T-Shirt mit der Aufschrift «Yummy Bunny») verteidigt Nora ihr nerviges Wolfsbrüderchen natürlich trotzdem.

* Sarah Sartorius ist Redaktionsleiterin der Berner Kulturagenda. Sie freut sich, dank ihrer Tochter wieder in die Bücher ihrer Kindheit einzutauchen. Unter dem Titel «Eselsohren» stellt sie Lieblingsbilderbücher vor. Diese Rubrik wird unterstützt vom Chinderbuechlade Bern.

Chinderbuechlade, Gerechtigkeitsgasse 26, Bern – www.chinderbuechlade.ch
Berner Kulturagenda – www.bka.ch