Eine Schiebetür, die sich nur mit Zutrittsberechtigung öffnen lässt. Ein klinisch weisser Raum. Geruch nach Desinfektionsmittel, mit welchem sich alle Besucher am Eingang die Hände säubern müssen. Monitore und Geräte, die im Sekundentakt piepsen. Schläuche, Kabel und Sauerstoffbehälter überall. Winzig kleine Kinder, die in ihren Isoletten oder Wärmebettchen liegen und schlafen.
Frühgeborene Kinder werden auf der Neonatologiestation, der Abteilung für Früh- und Neugeborene, intensiv betreut: Rund um die Uhr sind Pflegepersonal und Ärzte anwesend und die Kinder sind an Monitore angeschlossen. Viele Frühgeborene benötigen am Anfang Atemhilfe und Magensonden; in der Musik- und Physiotherapie werden die Kinder bewegt und hören beruhigende Lieder, was beides die Atmung positiv beeinflusst. Die Mütter werden durch Stillberaterinnen unterstützt. Kurz: Die Eltern können im Spital auf die Hilfe und Erfahrung von zahlreichen Fachkräften zählen und werden bei der Pflege ihrer Kinder umfassend unterstützt und begleitet.
Ungefähr um den errechneten Geburtstermin herum, wenn alle Austrittskriterien erfüllt sind, dürfen die Eltern ihre Kinder nach Hause nehmen. Plötzlich sind die Eltern nun auf sich alleine gestellt, kein Arzt, keine Pflegefachfrau und kein Monitor sagt ihnen mehr, ob es dem Kind gut geht und was es braucht. Für viele Eltern ist der Umzug nach Hause – obwohl dieser nach dem wochenlangen Spitalaufenthalt sehnlichst erwartet wird – mit vielen Ängsten und Unsicherheiten belastet. Nicht selten sind Eltern von frühgeborenen Kindern mit der neuen Situation überfordert.
Für viele Eltern von frühgeborenen Kindern ist der Umzug nach Hause mit vielen Ängsten belastet. Nicht selten sind sie mit der neuen Situation überfordert.
Die Berner Fachhochschule für Gesundheit will diese Versorgungslücke beim Übergang nach Hause schliessen. Seit April 2017 befindet sich das Projekt «Transition to Home» in der Machbarkeitsphase. Je zwei Bezugs-APN (Advanced Practice Nurses) begleiten zwei Familien frühgeborener Kinder. Bereits seit kurz nach der Geburt kennen die Fachpersonen den kleinen Jungen (710 g schwer, geboren in der 27 6/7. Schwangerschaftswoche) und das kleine Mädchen (995 g schwer, geboren in der 29 1/7. Schwangerschaftswoche) und ihre Eltern. Die Begleitung im Spital als auch später zu Hause erfolgt durch die gleichen zwei Bezugspersonen. Damit wird gewährleistet, dass die Eltern zu den Fachfrauen ein Vertrauensverhältnis aufbauen können.
Während des Spitalaufenthalts der Kinder stattete eine der beiden Pflegefachfrauen den Familien wöchentlich einen Besuch auf der Abteilung ab. Aktuelle Anliegen und Sorgen der Eltern wurden besprochen und die Pflegefachfrau klärte ab, was im Hinblick auf den Spitalaustritt alles zu organisieren war. Sie koordinierte die Betreuung durch die Hebamme, die Physiotherapeutin, das Pflegepersonal, die Stillberaterin, die Musiktherapeutin und die Ärzte. Während des Spitalaufenthalts fanden zwei Rundtischgespräche mit allen Beteiligten und den Eltern statt, bei denen jeder aus seiner Perspektive die Entwicklung des Kindes einschätzte.
Die Bezugsperson hat ein offenes Ohr für jegliche Anliegen und Fragen der Eltern.
Seit Mitte Juni sind beide Kinder zu Hause. Am Tag des Austritts erfolgte ein Telefongespräch mit der Pflegefachfrau, an einem der Folgetage der erste Hausbesuch. In den sechs Monaten nach der Entlassung aus dem Spital erfolgen insgesamt zehn Hausbesuche, bei denen die ANP Wachstum und Gewichtszunahme prüft und die Zahlen in einer Wachstumskurve festhält. Zudem bespricht sie mit den Eltern Themen wie Schlafrhythmus, Entwicklung oder Trinkverhalten des Kindes. Daneben hat sie ein offenes Ohr für jegliche Anliegen und Fragen der Eltern. Den Eltern steht zudem eine Telefonberatung zu Verfügung.
Das Projekt «Transition to Home» startet bald in die Pilotphase, in welcher 18 Familien vom APN-Team begleitet werden und 18 weitere Familien als Kontrollgruppe die herkömmliche Betreuung bis zum Spitalaustritt erhalten. Zu hoffen bleibt, dass in absehbarer Zukunft alle Eltern frühgeborener Kinder beim Übergang vom Spital nach Hause begleitet werden können.
* Die Autorin ist Mutter eines der erwähnten frühgeborenen Kinder. Es geht ihm heute sehr gut. Ihre Familie nahm als eine der zwei ersten am Projekt «Transition to home» teil. Mehr Informationen zum Projekt gibt es hier. Am 17. November ist der jährliche Welt-Frühgeborenen-Tag. Weltweit kommt rund jedes zehnte Baby zu früh auf die Welt.