Am 23. Mai 2019 startet der neue SRF-Podcast «Pipifax – der Podcast für frische Eltern». Produziert wird die Sendung aus dem SRF-Bereich Familie von Cheyenne Mackay*, die selber Mutter ist und den Punkrock im Herzen trägt. Wer mitdiskutieren und seine Erfahrungen teilen mag: Das Thema der nächsten Sendung lautet «Professionelle Babysitter – yay or nay?», eure Sprachnachrichten könnt ihr via Whatsapp an die Nummer 0795970618 schicken.
Cheyenne, Eltern sind chronisch in Zeitnot, sogar wir als Zeitungsfreunde haben unser Abo abbestellt. Welche Eltern haben denn Zeit, sich deinen Podcast anzuhören?
Für Eltern sind Podcasts besonders deshalb toll, weil man nebst dem Hören noch Dinge erledigen kann und sich die Sendung dann anhören kann, wann man möchte – beim Hören hat man beide Hände frei. Ausser natürlich, man hört den Podcast über die Stereoanlage und hat diese so platziert, dass das Kind die Knöpfe erreicht …
Im englischsprachigen Raum sind Podcasts längst riesig. Kommt der Trend jetzt endlich auch in die Schweiz?
Schwierige Frage. Ich befasse mich schon lange mit dem Thema, und seit Jahren wird angekündigt, dass der Boom jetzt die Schweiz erreiche. Allerdings beobachte ich in den vergangenen 12 Monaten schon, dass sich in der Schweiz einiges tut. Ich führe eine (sicher nicht ganz vollständige) Liste mit Schweizer Podcasts. Momentan sind es um die 100, Tendenz eindeutig steigend. Das Problem ist halt die Reichweite: Während die halbe Welt Englisch versteht, sind es nur ungefähr 4 Millionen Menschen, die Schweizerdeutsch verstehen. Der Markt für Schweizerdeutsche Podcasts ist also sehr begrenzt.
Worum gehts in deinem Podcast?
Es ist ein persönlicher Einblick in meine Gedankenwelt als Elternteil. Man hört meinen Mann und mich über Themen diskutieren, die uns beschäftigen. Auf der anderen Ebene können sich alle, die sich angesprochen fühlen, per WhatsApp-Sprachnachricht auf 0795970618 einschalten und ihre Sicht zum jeweiligen Thema einbringen. Jede Folge dreht sich um eine Frage, aus den Rückmeldungen ergibt sich das Thema für die nächste Folge. Es ist eine Art Austausch und Nabelschau mit Augenzwinkern.
«Im Podcast werden Lebensaspekte besprochen, die alle jungen Eltern kennen, die aber oft tabuisiert werden.»
Welches Gefühl soll zurückbleiben, wenn man die Sendung hört?
Durch die verschiedenen Meinungen, die zusammenkommen, soll das Gefühl entstehen: «Du bist nicht alleine.» Das Format thematisiert den Alltag als junge Eltern im Spannungsfeld zwischen Verantwortungsbewusstsein und Selbstverwirklichung. Offen und authentisch werden Lebensaspekte besprochen, die alle jungen Eltern kennen, die aber oft tabuisiert werden. Zum Beispiel: Darf ich ohne schlechtes Gewissen mal wieder Party machen? Muss ich mein Sexleben organisieren, damit es überhaupt noch existiert? Er erscheint am 23. Mai 2019, und alle zwei Wochen kommt eine neue Folge, diese dauern jeweils um die 20 Minuten.
Du sagst in der Anmoderation: Statt dir professionelle Hilfe zu suchen, machst du jetzt lieber einen Podcast. Ist der Podcast deine Therapie?
Ja, weil drüber reden hilft ja immer, und mit einem Podcast finden sich sogar Menschen, die freiwillig zuhören. Der Podcast hatte anfangs den Untertitel «Living in a baby jail». Auch das ist natürlich überspitzt formuliert, und man muss sich um mich keine Sorgen machen. Aber als Elternteil kommst du manchmal halt schon in Situationen, in denen du dich überfordert fühlst.
«Meine grösste Herausforderung ist, die Balance zu finden zwischen persönlichen Bedürfnissen und Zeit mit dem Kind.»
Kannst du Beispiele für eine solche Situation nennen?
Meine grösste Herausforderung ist, die Balance zu finden zwischen persönlichen Bedürfnissen und Zeit mit dem Kind. Ich hinterfrage oft, ob ich «es richtig» mache. Mein Leitsatz ist eigentlich: Das Kind lebt mit uns, nicht wir mit dem Kind. Und ich bin überzeugt, dass es einem Kind am besten geht, wenn die Eltern erfüllt und glücklich sind. In unserem Fall braucht es dazu aber eben einige Freiräume. Nicht nur privat, sondern auch beruflich. Letzens war ich zum Beispiel drei Tage auf einer Konferenz in einer anderen Stadt. Das war einerseits super, aber andererseits habe ich mein Kind vermisst und mich gefragt, ob es in Ordnung ist, das zu machen. Aber das Kind war ja nicht fremdbetreut, sondern beim Vater …
Das schlechte Gewissen ist für Eltern, besonders für Mütter scheint mir, omnipräsent. Was tun dagegen?
Puh, das ist eine schwierige Frage. Mir fällt im Gespräch mit anderen Eltern immer wieder auf, dass vor allem die Mütter darunter leiden, ein schlechtes Gewissen zu haben. Das einzige, was ich tun kann, ist: dieses zu überwinden und trotzdem das zu machen, was ich mir gerade vorgenommen habe.
«Viele Eltern-Formate fokussieren auf Mütter. Ich bin zwar auch Mutter, aber möchte in meinem Format nicht von Mama zu Mama sprechen.»
Es gibt doch schon so viele Blogs, Heftli, Foren für Eltern. Findest du wirklich, es wird zu wenig übers Elternsein gesprochen?
Ja, Eltern-Formate scheinen zu boomen , aber es gibt noch keinen vergleichbaren Podcast aus der Schweiz (schon auf dem Markt sind zwei, Papapo und die Elternberatung der Pro Juventute). Viele Eltern-Formate fokussieren erstens auf Mütter: Ich bin zwar auch Mutter, aber möchte in meinem Format nicht von Mama zu Mama sprechen, sondern als Elternteil andere Elternteile ansprechen. Und zweitens sind die meisten Ratgeber: Das ist mein Format auf keinen Fall, hier gibts kein «best practice» und auch keine Interviews mit «Fachmenschen», sondern einfache Einblicke in meinen Alltag und den von anderen Eltern. Also eigentlich stinklangweilig, haha.
Bei deinem Podcast können die Zuhörer mitreden. Wie geht das?
Am Schluss jeder Episode wird ein neues Thema eröffnet, ich spreche die HörerInnen direkt an, sich zu diesem zu äussern. Am liebsten in Form von Sprachnachrichten – die kann man direkt in den Podcast einbauen. Ich freue mich über knackige Statements von interessierten Elternteilen, die gerne ihre Meinung und Erfahrung teilen möchten. Bei meiner Testgruppe haben sich übrigens fast nur Frauen gemeldet, ich freue mich sehr, wenn sich auch Väter äussern!
«Ich bin sehr berührt und dankbar für die Offenheit, denn genau mit diesen Statements funktioniert der Podcast.»
Ist die Angst vor dem Erkanntwerden kein Hindernis?
Bei meinen beiden Pilot-Versuchen war ich sehr überrascht, wie direkt die Menschen waren. Einige dieser Aussagen sind auch in der ersten Episode zu hören. Ich bin sehr berührt und dankbar für die Offenheit, denn genau mit diesen Statements funktioniert der Podcast. Ich und mein Partner zeigen einen Teil unserer Lebensrealität, und andere Eltern teilen ihre Erfahrungen.
Was hat dich bei der Recherche für den Podcast am meisten erstaunt?
Ich hab zwei Pilotfolgen gemacht, die erste zum Thema «Zeit für sich selber haben als Elternteil» und die zweite Pilotfolge zum Thema «Paarzeit als Eltern». Um Sprachnachrichten von Eltern zu bekommen, habe ich alle meine Bekannten angeschrieben, die Kinder haben. Beim ersten Thema waren sich irgendwie alle einig: Jede/r hat zu wenig Zeit für sich selber. Die Rückmeldungen zum zweiten Thema waren viel diverser. Aufgefallen ist mir als erstes, dass sich fast nur Frauen zu Wort melden, was ich sehr schade finde. Und dass auch Statements kamen wie «wenn mein Partner diese Frage beantworten würde, würde es anders klingen», das hätte ich natürlich gerne im Direktvergleich gehört.
«Ich wünschte mir mehr Väterstimmen in dem Ganzen Eltern-Sein-Medien-Dings.»
Warum tauschen sich besonders Frauen über diese Themen so aus? Die meisten Blogs etc. zum Thema werden ja auch von Frauen geführt.
Keine Ahnung. Das ist wirklich schade! Die Medien suggerieren ja schon, dass Elternsein vor allem in den frühen Kindsjahren vor allem die Mutter betrifft. Das fängt an bei der Geburtsvorbereitung, wo in meiner Erfahrung der Mann viel weniger nach seinen Emotionen und Erwartungen in Bezug auf das bevorstehende Ereignis befragt wird. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass halt der traditionelle Lebensentwurf noch mehrheitlich gelebt wird und der Vater dann arbeiten geht, um die Familie zu ernähren, und die Frau eben die Mutterrolle einnimmt. (Denkt nach.) Oh Gott, das ist eine schlechte Antwort! Aber es gibt wohl keine gute auf diese Frage. Ich wünschte mir einfach mehr Väterstimmen in dem Ganzen Eltern-Sein-Medien-Dings. Wenn ich nach Erklärungen suche, falle ich megaschnell in stereotype Erklärungsmuster, und darauf hab ich eigentlich keine Lust.
Was hat dich sonst bei der Arbeit an den Pilotfolgen noch überrascht?
Aufgefallen ist mir auch, wie wichtig Grosseltern sind: Grosseltern können viel helfen und entlasten – aber eben nicht alle Eltern haben das Glück, noch Eltern – oder gute Beziehungen zu den eigenen Eltern – zu haben. Beschäftigt hat mich auch eine Rückmeldung, in der ein Elternteil erzählte, dass sie zur Paartherapie gehen, um sich zumindest einmal im Monat in Ruhe austauschen zu können. Als ich das gehört habe, empfand ich mein Rumgestänkere von wegen zu wenig Ausgehen gerade sehr lächerlich.
«Punkrock heisst auch, nicht der Norm entsprechen zu müssen. Das kann man mit Kind durchaus.»
Im Podcast – und in euren Leben – spielt Musik eine wichtige Rolle. Kann man Rock’n’roll bleiben, wenn man Eltern wird? In meinem Umfeld – wir inklusive – wurden mit den Kindern alle ziemlich bieder, wie die Eltern. Hüsli, Job, Kinder, vielleicht einmal im Jahr eine Reise nach Asien. Wie bewahrt ihr den Rock’n’Roll?
Also vorweg: Hüsli, Job, Kinder und einmal im Jahr eine Reise schliesst Rock’n’Roll nicht aus. Punkrock ist ein Gefühl, das man hat, eine Art zu leben und zu fühlen, die nie weggeht. Wir verstehen darunter in erster Linie die Liebe zur Musik und das Teilsein einer (sehr weitläufigen) Szene, in der man sich an Konzerten trifft, austauscht und diskutiert. Ich habe auch lange Musik gemacht und habe Konzerte organisiert. Vor dem Kind konnten wir das alles beliebig oft machen, jetzt müssen wir es organisieren, sofern wir gemeinsam unterwegs sein wollen. Punkrock heisst auch, nicht der Norm entsprechen zu müssen und Konventionen auch mal über Bord werfen können. Das kann man mit Kind durchaus, aber das heisst auch nicht, dass wir jetzt alles völlig anders machen. Wir sind ein Paar, arbeiten beide in guten Jobs und werden im Sommer heiraten. Punkrock respektive Rock’n’Roll ist ein Lebensgefühl, dass wir beide schon immer gelebt haben – das kann viel bedeuten, ist vielschichtig auszulegen, uns aber sehr wichtig.
Und, (wie) schafft ihr es, weiterhin an Konzerte zu gehen? Ausgang ist ja bei vielen das erste, das stirbt …
Die einfachste Variante: Eine/r von uns geht zum Konzert, die andere Hälfte bleibt zu Hause. Einmal im Monat schaut meine Mutter einen Abend lang, und ab und zu helfen Gotte/Götti und enge Freund/innen aus. Das schwierigste ist, dass wir Eltern uns einigen, wohin wir unbedingt zusammen gehen wollen und wo wer alleine geht – und dann fürs gemeinsame Konzert einen Babysitter zu finden. Deshalb planen wir schon Monate im Voraus. Gemeinsam spontan wegzugehen, ist nicht mehr möglich. Und das zweitschwierigste für mich ist mein schlechtes Gewissen. Bevor das Kind auf der Welt war, dachte ich: «Easy, Fremdbetreuung, für mich kein Problem.» Ich empfinde es nun anders und es kostet mich auch Überwindung, wegzugehen. Aber gleichzeitig ist es enorm wichtig für meine Ausgeglichenheit, deshalb tue ich und tun wir es regelmässig. Verglichen mit vor dem Kind ists selten, auch wenn es für andere nach viel klingen mag: Jedes Elternteil geht einmal die Woche an ein Konzert, ich arbeite einmal im Monat in einem Rock-Club und trete ab und zu noch als DJane auf.
«Wir planen Monate im Voraus. Gemeinsam spontan wegzugehen ist nicht mehr möglich.»
Wie bekommt eure Tochter eure «Musiksucht» mit? Nehmt ihr sie mit an Festivals etc.? Läuft daheim nie Schlieremer Chind, sondern nur Babypunkrock?
Bei uns daheim lauft dauernd Musik, aber durchaus aus allen Bereichen. Für Festivals ist sie noch zu klein. Ich liebe die «Ohrewürm», die erste Ausgabe find ich richtig Babypunkrock, und die läuft immer mal wieder. Wir werden unsere Tochter nie zwingen, Musik so zu lieben, wie wir das tun, geschweige denn Punkrock toll zu finden. Das darf sie selber entscheiden. Aber ich muss zugeben, dass mir schon bisschen vor dem Moment graut, in dem sie ihre Musikwünsche äussert. Allerdings haben mir meine das mit der Musik auch weiter gegeben, obwohl ich durch die Boyband-Phase gegangen bin und meinen Eltern damit ziemlich auf die Nerven. Meine Mutter hat mir dann einen Plattenspieler gekauft und ihre Beatles-, Stones- und Bowie-Platten ins Kinderzimmer gestellt. Dann hat es gebessert, und ich hab meine eigene Plattensammlung begonnen.
Ein Podcast ist eine Radiosendung ohne Radiosender. Ihr könnt sie im Internet oder mit eurer Podcast-App hören. «Pipifax – der Podcast für frische Eltern» aus dem SRF-Bereich Familie erscheint erstmals am 23. Mai, alle 2 Wochen gibts eine neue Folge. Mitreden zum Thema «Professionelle Babysitter – yay or nay?» könnt ihr, wenn ihr eine Sprachnachricht auf die Whatsapp-Nummer 079 597 06 18 sendet.
Die Radiojournalistin und Medienpädagogin (40) arbeitet als Ausbildnerin bei SRF und ist Mitgründerin des sonOhr Radio + Podcast Festivals. Ihre Jugend- und frühen Erwachsenenjahre hat sie in Bern verbracht, wo viele sie noch von Radio RaBe oder Copy & Paste kennen. Nach Zwischenhalt in Wien ist sie in Zürich angekommen. Dort lebt sie mit ihrem Partner Marcel Zulauf (51) und Tochter Polly Kitty Louise (1).