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Wie kommt ein Buch in die Bibliothek?

Wer wählt eigentlich aus, welche Kinder- und Jugendbücher in den Bestand einer Bibliothek kommen? Und: Sind diese Bücher alle geschenkt?
Kooperation
21 Jun 2023
Florina Schwander

Frau Haller, Frau Nabulon: Es gibt so viele Neuerscheinungen pro Jahr, wer wählt aus, welche Bücher in die Bibliothek kommen?

Louana Haller: Grundsätzlich kann jede Filiale ihren Bestand selber bestimmen. Letztes Jahr haben wir für die Kornhausbibliothek rund 2’000 Kinder- und Jugendbücher gekauft. Bei insgesamt ungefähr 10’000 Neuerscheinungen im deutschsprachigen Raum ist das ein kleiner Teil. Allerdings gibt es darunter auch Bücher, die nicht bibliotheksgeeignet sind, beispielsweise Pixie-Bücher. Beliebte Klassiker wie Gregs Tagebücher kaufen wir dafür meist mehrfach ein.

 

Nach welchen Kriterien werden diese Bücher ausgewählt?

Louana Haller: Wir wollen in erster Linie ein möglichst breites Angebot zur Verfügung stellen. So hat ein Buch über Tourette-Syndrom aus einem Nischenverlag Platz neben einem Band «Die drei ???». Dazu ist unsere Auswahl immer auch subjektiv beeinflusst, ich wähle auch das aus, was mir gefällt. Ich schaue dabei, dass etwas von der Themenvielfalt zum restlichen Bestand passt oder es mich optisch anspricht. Ich kenne auch die jeweiligen Verlage, weiss wer gute Kinderbücher macht und wer einfach einen Hype beliefern möchte mit eher oberflächlichen Werken. 

 

Ihr arbeitet beide schon mehrere Jahre für die Kornhausbibliothek oder im Bereich Kinderliteratur. Haben sich die Kriterien verändert, nach welchen ihr die Bücher auswählt?

Louana Haller: Über die Jahre gibt es immer wieder wechselnde Trends, die unsere Auswahl beeinflussen, aktuell steht beispielsweise Tier-Fantasy hoch im Kurs. Und ja, unser Bestand ist heute viel diverser als früher, sowohl im Sinne von körperlicher als auch kultureller Diversität. Mir ist es ein Anliegen, bei unserer Auswahl an neuen Büchern für die Bibliothek immer auch kleinere Verlage und unbekannte Autor*innen zu fördern. Wir achten heute vielleicht noch mehr als früher auf eine korrekte, diverse Auswahl.

 

Louana Haller und Barbara Nabulon

 

Erhaltet ihr eigentlich alle Bücher von den Verlagen geschenkt oder wo kauft ihr die ein?

Barbara Nabulon: Nein, wir bestellen alle Bücher nach Erscheinen beim lokalen Buchhandel. Das ist wichtig, wir erhalten sie nicht gratis und bestellen auch nicht bei Amazon oder ähnlichen Plattformen. Spannenderweise bleiben die Ausleihzahlen bei den Kinderbüchern übrigens stabil, im Gegensatz zu unserem Bestand bei den Erwachsenen, zum Beispiel. Bei den Kindern und Jugendlichen bleibt das physische Angebot stabil, das freut uns.

Louana Haller: Mich nervt es, wenn es heisst, dass die heutigen Kinder nicht lesen. Das ist Blödsinn. Die Kinder lesen sehr wohl – nur halt vielleicht andere Bücher, als es ihre Eltern gerne hätten. Und das ist OK, sie haben sehr wohl ein Mitspracherecht bei den Büchern, die sie lesen wollen. Und ja, Comics sind auch «richtige Bücher».

Letzte Frage: Habt ihr ein liebstes Kinderbuch?
Barbara Nabulon: Kein aktuelles, aber mir ist aus früheren Vorlesezeiten mit meiner Tochter der «Seeräubermoses» von Kirsten Boie in bester Erinnerung.
Louana Haller: Bei vielen neuen Büchern wird wieder mehr Wert aufs Grafische gelegt, das gefällt mir sehr. «Völlig Meschugge» von Andreas Steinhöfel ist beispielsweise ein grossartiger neuer Comic für Jugendliche. Gleichzeitig finde ich auch ältere Werke toll. Viele wissen beispielsweise nicht, dass Roald Dahl reihenweise Kinderbücher mit morbidem Humor geschrieben hat; «Matilda» beispielsweise ist super.

Projekt Lesesommer

Alle zwei Jahre bieten verschiedene Bibliotheken in der Region Bern gemeinsam mit dem Lesesommer ein niederschwelliges Leseangebot für Kinder und Jugendliche an. Es gibt keine Kontrolle, kein Zwang: Jedes Kind liest, was und wann es mag. Ziel ist es, jeden Tag eine Viertelstunde zu lesen. Dafür gibt es ein Kreuz im Lesepass. Mit 30 Kreuzen gibt’s eine Urkunde und ein kleines Geschenk. Ab dem 28. Juni können die Pässe abgeholt werden, bis am 25. August müssen sie eingelöst werden. Den Abschluss bildet das Lesesommerfest am 23. August mit Katja Alves im Rosengarten. Alle weiteren Informationen: www.kob.ch/lesesommer

Dieser Beitrag wurde unterstützt von den Kornhausbibliotheken Bern.

Übrigens: Auf Instagram haben wir in diesem Highlight-Ordner Tipps für Vorlesebücher gesammelt.

 

Louana Haller, Verantwortliche Kinder-/Jugendmedien in der Kornhausbibliothek und Projektleiterin des Lesesommers

Barbara Nabulon, Stv. Leiterin Kornhausbibliothek, Leiterin Bestand und Vermittlung