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Wie wählen wir eine gute Kita aus?

Worauf achten bei der Auswahl der passenden Krippe? Drei Fachfrauen verraten uns, was für sie wichtig ist bei einer Kita.
24 Jun 2022
Bilder — Unsplash

«Eltern gehen häufig davon aus, dass Kitas “gut” sein müssen, um eine Betriebsbewilligung zu erhalten. Leider werden über die Bewilligung aber lediglich Mindestanforderungen abgedeckt.» Simone Fehr, Kita Sandkasten

Gerade im städtischen Umfeld ist das Angebot an Kitaplätzen in den letzten Jahren stark angestiegen. Unterdessen machen viele Kitas sogar schon Werbung – ein Phänomen, das es vor einigen Jahren im Kanton Bern noch kaum gab, als Kitaplätze allgemeine Mangelware waren und das Betreuungsgutschein-System noch nicht existierte. Die höhere Verfügbarkeit von Plätzen ermöglicht es Eltern heutzutage, etwas wählerischer zu sein. Doch worauf achten bei der Krippenauswahl? Wir haben drei Kita-Expertinnen gefragt, was sie Eltern empfehlen, die sich auf die Suche nach einem Betreuungsangebot machen.

Noëlle Knuchel

Berufsfachschullehrerin Entwicklung und Kommunikation für Fachpersonen Betreuung EFZ an der BFF Bern, (vorher 10 Jahre als Kindheitspädagogin HF in verschiedenen Kitas tätig)

Noëlle Knuchel, woran erkennen Eltern eine gute Kita?

Vor jeder Besichtigung empfehle ich, das Betreuungskonzept der Kita durchzulesen. Das Konzept sollte auf der Website vorhanden sein oder abgegeben werden – das ist aber leider nicht immer der Fall! Beschreibt die Kita in ihrem Konzept, was ihr wichtig ist in der Betreuung? Und deckt sich diese Beschreibung mit dem, was die Eltern sich vorstellen?

Dann ist natürlich der erste Eindruck während der Besichtigung relevant: Habe ich an diesem Ort ein gutes Bauchgefühl? Wird uns bei der Besichtigung das Konzept verständlich erklärt und passen die Räumlichkeiten zu dem, was im Konzept beschrieben ist? Wenn sich etwas, wie beispielsweise die Schlafsituation, nicht beobachten lässt, rate ich dazu, nachzufragen.

«Zentral ist für mich die Gestaltung der Eingewöhnungsphase. Eine gute Eingewöhnung erhöht die Chance auf eine stabile Bindung zur Bezugsperson.» Noëlle Knuchel, BFF Bern

Welche konkreten Punkte sind denn aus Ihrer Sicht wichtig?

Als zentral erachte ich die Gestaltung der Eingewöhnung. Ein sorgfältig eingewöhntes Kind hat eine höhere Chance auf eine gute Bindung zur Bezugsperson und wird auch längerfristig tendenziell ohne grössere Probleme in die Kita kommen. Die Eingewöhnung sollte mindestens zwei Wochen dauern und in dieser Zeit tägliche Besuche beinhalten, mit der ersten Trennung von den Eltern ab dem vierten Tag. Eine Kita sollte darauf achten, dass die Eingewöhnung achtsam abläuft, und die Betreuungsperson wie auch die Eltern sollten sich viel Zeit dafür nehmen. Diese Methode der Eingewöhnung ist wissenschaftlich fundiert und bezieht Erkenntnisse aus der Bindungstheorie mit ein. Ich habe das mit meinem eigenen Kind sogar mit den Grosseltern so gehandhabt, bin also wirklich von der Wichtigkeit einer guten Eingewöhnung überzeugt! Auch wenn die Eltern eine sorgfältige Eingewöhnung als nicht so wichtig erachten, weil sich beispielsweise das Kind sofort wohl fühlt in der Kita, sollte dieser Prozess nicht abgekürzt werden.

Ebenso relevant, wenn auch in den Konzepten oft nur beiläufig erwähnt, ist die Elternarbeit: Haben die Eltern eine fixe Ansprechperson? Besteht am Morgen und am Abend etwas Zeit für einen kleinen Austausch? Was erwartet die Kita von den Eltern? Achtet auch auf die Möglichkeit für Elterngespräche: Oft werden diese nur noch auf Wunsch angeboten. Ich finde es besser, wenn solche Gespräche standardmässig zum Angebot der Kita dazugehören. Eine gute Zusammenarbeit zwischen Kita und Eltern ist eine wichtige Basis, insbesondere auch, falls einmal Konflikte oder Fragen auftauchen. Je besser die Beziehung zwischen Kita und Eltern, desto weniger gerät das Kind in einen Loyalitätskonflikt, welcher sich negativ auswirken kann auf die Zeit in der Krippe.

Viele Kinder nehmen an einem Kitatag mehrere Mahlzeiten ein: Bezüglich dem Essen hat sich das Label Ama terra von Fourchette Verte in der Schweiz etabliert, es steht für eine gesunde, abwechslungsreiche Ernährung. Ebenso wichtig scheint mir, wie die Mahlzeiten gestaltet werden. Gibt es diesbezüglich Vorgaben oder können die Kinder frei essen worauf sie Lust haben, ohne jeglichen Zwang, probieren zu müssen oder aufessen zu müssen? In meiner Erfahrung haben die Kinder dann am meisten Früchte und Gemüse gegessen, wenn sie selber entscheiden durften, was sie essen. Ideal wäre, wenn Kinder immer Zugang zu gewissen Lebensmitteln haben (z.B. frei zugängliches Brot und Früchte), da Essen ein Grundbedürfnis ist. Die Lernenden, welche ich unterrichte, bevorzugen es auch, wenn es eine eigene Kita-Küche gibt, weil dann einerseits Kinder eher in die Essenszubereitung einbezogen werden und das Essen oft von besserer Qualität ist, als wenn es von extern, beispielsweise einem Altersheim, angeliefert wird.

Evelyne Brunner

Standortleiterin Kita Matahari Burgfeld, Bern

Evelyne Brunner, was hat ein Kind an einem optimalen Kita-Tag erlebt?

Ein Kind hat idealerweise viel gelacht, konnte ausgelassen seinen Interessen nachgehen, sich geborgen, aber auch als Teil einer Gemeinschaft fühlen. Wichtig ist sicher auch, dass das Kind durch die Betreuungspersonen in seinen Emotionen begleitet wurde und seine Gefühle und Bedürfnisse ernst genommen wurden.

Welche Aspekte darf man bei der Kita-Auswahl nicht vergessen?

Neben dem pädagogischen Konzept und dem Betreuungsschlüssel, empfehle ich, darauf zu achten, ob es eine Tagesstruktur und auch ein Jahresprogramm gibt. Wo finden Rituale im Kita-Alltag statt? Wie werden die Kinder im Alltag mit einbezogen? Wie konstant sind die Abläufe? Beispielsweise der gemeinsame Beginn am Morgen: Wird das «Kreisli» auch wirklich durchgeführt oder steht das bloss im Konzept? Solche Elemente in der Gemeinschaft wie Singen, Versli etc. sind wichtig für die Sprachentwicklung, vermitteln aber auch Sachwissen. Schön ist auch, wenn beispielsweise die Jahreszeiten mittels Naturmaterialien nach drinnen geholt und spürbar gemacht werden. Wiederkehrende Figuren, Rituale und Bräuche, aber auch der tägliche Ablauf mit den Mahlzeiten, dem nach draussen gehen etc. geben den Kindern Halt.

Für mich ist der Gesamteindruck von Bedeutung: Ist die Atmosphäre in der Kita gut? Begegnen wir offenen, freundlichen Menschen? Ist die im Konzept erwähnte Haltung auch in den Räumlichkeiten spürbar? Evelyne Brunner, Kita Matahari

Ein zentraler Faktor jeder Kita sind die Mitarbeitenden. Diesbezüglich können Eltern nachfragen, wie das Team zusammengesetzt ist, wie häufig es Wechsel gibt und wie der Betreuungsschlüssel aussieht. Pro 12 Plätze zwei ausgebildete Personen plus ein bis zwei weitere in Ausbildung ist ein guter Richtwert. Die Mitarbeitenden in Ausbildung brauchen viel Begleitung und einen geschützten Rahmen, damit sie schrittweise in die Verantwortung kommen können. Diesbezügliche Fragen sollte die Kita-Leitung beantworten können.

Und dann ist natürlich der Gesamteindruck von Bedeutung: Ist die Atmosphäre in der Kita gut? Begegnen wir offenen, freundlichen Menschen? Ist die im Konzept erwähnte Haltung im Umgang unter den Mitarbeitenden und in den Räumlichkeiten spürbar?

Was sind Warnzeichen, bei welchen Eltern das Gespräch suchen sollten?

Bei gestresst wirkenden Mitarbeitenden oder vielen Wechseln im Team sollte man hellhörig werden. Ebenfalls erachte ich es als Warnsignal, wenn zu wenig ausgebildetes Personal in der Kita arbeitet oder wenn viel vergessen geht, beispielsweise bei der Rückmeldung. Und grundsätzlich immer, wenn ich mich als Vater oder Mutter in Bezug auf die Betreuung unsicher fühle oder wenn mein Kind zuhause Dinge erzählt, die ich nicht einordnen kann.

Simone Fehr

Gründerin und Geschäftsleiterin Kita Sandkasten, Kerzers

Welche weiteren Anhaltspunkte, eine gute Kita zu erkennen, gibt es aus Ihrer Perspektive?

Dass eine Kita Wert auf Qualität legt und diese auch von unabhängiger Seite regelmässig überprüfen lässt, erkennen die Eltern am einfachsten an einer «QualiKita»-Zertifizierung. Das schweizweite Qualitätslabel für Kindertagesstätten zeichnet höchste pädagogische und betriebliche Qualität aus. Ein internes Qualitätsmanagement und jährliche externe Audits garantieren eine konstante Qualitätsentwicklung. Für die Eltern selbst ist es unmöglich, einen solch detaillierten Einblick zu erhalten.

Gerne mache ich noch eine Ergänzung zum Besuchstermin: Begrüssenswert finde ich, wenn die Besichtigung während der Öffnungszeiten stattfindet, um Einblick in den Kita-Alltag zu bekommen und beispielsweise den Umgang mit den Kindern auch in herausfordernden Situationen zu spüren.

«Der Standort einer Kita wird häufig überschätzt, sprich es werden nur Kitas in unmittelbarer Nähe des Wohn- oder Arbeitsortes in Betracht gezogen. Für eine gute Kita lohnt sich aber auch ein kleiner Umweg.» Simone Fehr, Kita Sandkasten

Der Standort einer Kita wird aus meiner Sicht häufig überschätzt, sprich es werden nur Kitas in unmittelbarer Nähe des Wohn- oder Arbeitsortes in Betracht gezogen. Da plädiere ich – wenn es organisatorisch machbar ist – für mehr Offenheit und empfehle, den Suchradius etwas zu erweitern. Für eine gute Kita lohnt sich auch ein kleiner Umweg.

Welche Fragen sollten Eltern bei der Auswahl einer passenden Kita unbedingt stellen?

Abgesehen von den bereits erwähnten Fragen zum Konzept, zur Mitarbeitendenstruktur, der Elternarbeit und zur Eingewöhnung sind für mich folgende Fragen zentral:

Freispiel und Partizipation: Wie viel Zeit ist für das freie Spiel vorgesehen, in welchem die Kinder Themen und Regeln selbst bestimmen können? Dürfen die Kinder frei entscheiden, ob sie beim Spiel mitmachen möchten oder nicht? Wie frei sind die Kinder beim Malen und Basteln? Wichtig für das freie Spiel ist insbesondere eine anregende Umgebung und undefiniertes, nicht vorgegebenes Spielmaterial, das den Kindern frei zugänglich ist und welches sie beliebig kombinieren können.

Draussen sein: Wie viel Zeit verbringen die Kinder täglich draussen? Und vor allem auch: Wo verbringen die Kinder diese Zeit? Verfügt die Kita beispielsweise über einen Waldplatz, der regelmässig besucht wird? Den meisten Eltern ist es (richtigerweise!) wichtig, dass die Kinder täglich Zeit draussen verbringen. Wichtig finde ich aber auch, dass die Eltern wissen, wie lange die Kinder jeweils draussen sind und ob sie dort Zeit haben, sich ins Spiel zu vertiefen. Ich empfehle den Eltern, auch den Aussenbereich der Kita genau anzuschauen (sind naturnahe Erfahrungen möglich? Bietet der Aussenbereich Möglichkeiten für Bewegung und Rückzug?). Je nach persönlichen Vorlieben entscheiden sich die Eltern vielleicht auch für eine Waldkita.

Dokumentationen: Werden wichtige Informationen über die Entwicklung des Kindes festgehalten? Wird beispielsweise mit BULG oder dem infans-Beobachtungskonzept gearbeitet? Diese Informationen sind relevant für die Begleitung des Kindes im Alltag und für den Austausch mit den Eltern – zum Beispiel als Grundlage für Elterngespräche. Wichtig ist, dass die Beobachtungen ressourcenorientiert sind, sprich die Stärken und Interessen des Kindes im Vordergrund stehen. Achtung: Es sollte niemals das Ziel sein, zu vergleichen oder anderweitig unter Druck zu setzen – die Kinder bringen nämlich sehr unterschiedliche Ressourcen mit und entwickeln sich in ihrem eigenen Tempo.

Gerne möchte ich noch eine Differenzierung machen zum Thema Mahlzeitenzubereitung: Es ist wichtiger, was auf den Tisch kommt, als beispielsweise, ob das Essen direkt in der Kita zubereitet oder geliefert wird. Der Ort der Zubereitung sagt aus meiner Sicht wenig über die Qualität des Essens oder über die Qualität der Kita aus – es sollten aber in jedem Fall ausgebildete Köche / Köchinnen am Werk sein. Idealerweise lassen sich die Eltern die Menupläne der letzten Wochen zeigen, um einen Einblick zu bekommen. Die Möglichkeit zur Partizipation besteht übrigens auch bei der Zubereitung der Zwischenmahlzeiten – bei uns zum Beispiel dürfen die Kinder regelmässig mit uns kochen und backen.

Und welche Erwartungen von Eltern kann eine Kita nicht abdecken?

Als Kita sind wir kein «Freizeitpark» und sollen dies auch nicht sein. Für Kinder ist der ganz normale Kita-Alltag spannend genug. Wenn sie in einer anregenden Umgebung liebevoll begleitet werden, ermöglichen wir ihnen, ihren persönlichen Interessen nachzugehen und sich in ihrem eigenen Tempo zu entwickeln, zu lernen und die Welt zu entdecken. Grössere Ausflüge, zum Beispiel ins entfernte Museum, mögen zwar aufregend klingen, überfordern die Kinder aber häufig, weil sie sehr anstrengend sind. Die Erwartung nach solchen regelmässigen Ausflügen können und möchten wir also bewusst nicht erfüllen.

Viele Eltern freuen sich verständlicherweise zudem, wenn ihr Kind in der Kita ein bestimmtes Produkt gebastelt hat und nachhause bringt. Da wir uns ganz klar am Kreativitätsverständnis der Kulturinitiative Lapurla «Prozess vor Produkt» orientieren (im Zentrum steht nicht das «Was», sondern das «Wie») und das kreative Schaffen in den Vordergrund stellen, müssen wir auch diese Erwartung enttäuschen. Für die Kinder heisst das hingegen, dass sie ihrer angeborenen Neugierde uneingeschränkt nachgehen und ihre Kreativität ausleben dürfen.

 

Die Plattform Kitacheck unterstützt Eltern bei der Auswahl und fasst viele der erwähnten Kriterien zusammen.