Diese Woche feiert die Stiftung Theodora die «Woche des Glücks». Für jedes gepostete Foto mit dem Hashtag #stiftungtheodora ermöglichen Sponsoren einen Kinderbesuch durch einen Traumdoktor. Die Anleitung dazu findet ihr hier.
Dieser Artikel erschien erstmals im Frühling 2017.
Manchmal hilft nur noch Humor. Auch – oder ganz besonders – in der Kindererziehung. Wenige wissen das besser als Nina Wägli aus Bern. Die Mutter dreier Buben ist ausgebildete Schauspielerin und soziokulturelle Animatorin – und Clownin. Als sogenannte «Traumdoktorin» der Stiftung Theodora* besucht sie hauptberuflich Kinder im Spital, arbeitet mit behinderten Kindern oder mit übergewichtigen Minderjährigen. Etwa zweimal pro Woche ist «Dr. Pönk» für jeweils vier Stunden im Einsatz, auf allen Stationen: von der Neonatologie bis zur Onkologie.
Viele dieser Besuche gehen Nina Wägli sehr nahe und erinnern sie auch an ihre eigene Geschichte – ihr ältester Sohn ist herzkrank. Er lebt zwar heute ein beschwerdefreies Leben, trotzdem ist die Krankheit präsent und hat diese Erfahrung die Familie geprägt: «Es relativiert vieles.» Gleichzeitig betont Nina Wägli: «Kinder bleiben Kinder. Auch wenn sie krank sind.» Sie finden den gleichen «Chabis» lustig wie gesunde Kinder. Und so gebe ihr ihre aussergewöhnliche Arbeit auch viel Energie: «Es ist wie Durchlüften.»
Für Nina Wägli ist Humor nicht nur eine Kunst, sondern im Alltag auch oft schlicht «eine Überlebensstrategie». Die dreifache Mutter scheint vor Energie fast zu überschäumen, ein Gespräch mit ihr ist ein einziges inspirierendes Motivationsseminar. Wie macht sie das – mit drei kleinen Kindern, eines davon im besten Trotzalter? Wir haben die Clownin nach ihren besten Erziehungstipps gefragt.
Im Fachjargon spricht man von «paradoxen Interventionen»: Legt das Kind einen Tobsuchtsanfall hin, hilft es häufig, etwas Unerwartetes zu tun. Will das Kind um keinen Preis die Schuhe anziehen? Dann kommt mal das Stofftier darin angewatschelt. Wickeln ist ein grosses Drama? Dann legt sich Mama die Windel auf den Kopf und fragt, wo denn die Windel sei. Die Kinder reagieren perplex, und schon ist der grosse Zorn gebrochen. Sich ständig Ablenkungsmanöver auszudenken, kostet Energie, aber ab und zu ist eine paradoxe Intervention ein Quasi-Lebensretter.
In festgefahrenen, mühsamen Situationen kann es Wunder wirken, physisch aktiv zu werden – zu tanzen, loszurennen, zu schreien, die Möbel umzukippen, daraus eine Höhle zu bauen oder eine Kissenschlacht zu veranstalten. Neben dem erwähnten positiven Effekt der Ablenkung macht Bewegung bekanntlich auch einfach glücklich. Dabei müssen die Eltern nicht die ganze Zeit selbst rumhopsen: «Man kann die Kinder auch in ein Spiel begleiten und sich selbst dann wieder rausnehmen», sagt Nina Wägli – Bewegung als Türöffner.
Mühsame Pflichten lassen sich häufig in ein Spiel oder einen Wettbewerb verwandeln. Wer hat sich am schnellsten ausgezogen? Wer schmeisst die (Pipi-)Windel am weitesten? Wer hat die dreckigsten Ohren? Wer ist als erstes bei der Haustüre? Los geht’s! Und schon sind alle bettfertig, gewickelt und sauber. Ähm. Oder hoffentlich.
Nina Wägli erzählt bei unserem Treffen, dass sie an jenem Tag vorgehabt habe, mit ihren drei Buben ins naturhistorische Museum zu gehen. Sie schaffte es nicht: «Bis alle drei angezogen und draussen sind, ist es manchmal schon wieder dunkel.» An solchen Tagen bringe es nichts, etwas erzwingen zu wollen. Besser, man verabschiede sich frühzeitig von fixen Vorstellungen und verbringe zur Not halt den ganzen Tag im Pyjama daheim. Loslassen könne auch eine grosse Befreiung sein.
Die Küche sieht aus, als wäre ein Reiskocher explodiert? Henu. «Der Haushalt hat bei uns derzeit nicht oberste Priorität», sagt Nina Wägli. Eltern hätten beschränkte Ressourcen und sollten sich deshalb im Klaren sein, was ihnen wirklich wichtig sei. Das gelte auch für Regeln: Einige wenige, dafür gemeinsam verankerte Grundregeln funktionieren aus ihrer Sicht besser als eine Reihe von Verboten, die nicht konsequent durchgesetzt werden können. Ein einziges, aber klares «Nein» wirkt effektiver als ein hundertfaches «Nein, nein, nein».
Eltern erleben mit ihren Kindern fast täglich unmögliche Situationen. Ein Clown sucht genau diese Momente und freut sich darüber. Das kann auch Eltern helfen. «Es klingt abgedroschen, aber: ‹Humor ist, wenn man trotzdem lacht.›» Deshalb empfiehlt Nina Wägli, die Augen für Situationskomik offen zu halten. Statt zu verzweifeln – einfach mal zu lachen, wenn man seit 45 Minuten im Treppenhaus sitzt, weil das Kind weder vorwärts noch zurück will. Aber auch die eigenen Bedürfnisse nicht zu vergessen: Bewusst Dinge tun, die (womöglich nur) Mama gefallen. Und das ohne schlechtes Gewissen. «Es muss einfach auch den Eltern Spass machen. Sonst verleidets einem.»
«Ein Kind hat man nicht, man begleitet es», sagt Nina Wägli. Sobald die Kinder in die Regelstrukturen (Kindergarten) kommen, realisiere man, wie schnell die Kleinkinderzeit vorbeigehe. «Das ist natürlich anders, wenn man mittendrin steckt. Ist eine Trotzphase überstanden, folgt unmittelbar die nächste.» Hier sei die Begleitung – so nervenaufreibend und zehrend es auch sein mag – unerlässlich. Was die Eltern in dieser Zeit investieren, bilde den Boden einer gesunden Kindheit. In schwierigen Momenten helfe es, ein inneres Bild einer Achterbahn zu kultivieren – anschnallen und zurücklehnen, die Fahrt geht los, ob wir es wollen oder nicht! Auch dem Kind helfe diese Einstellung: Wir gehen da zusammen durch, komme, was wolle.
Erziehung – schon dieses Wort! – hat oft diesen schweren Beigeschmack. Alles ist immer wahnsinnig anstrengend und schwierig und mühsam. Wenn sich Eltern auf der Strasse treffen und «fachsimpeln», überbieten sie sich deshalb oft mit ihren Leidensgeschichten und jammern um die Wette. Nina Wägli stört sich – bei allem Verständnis – zeitweise über diese Schwere: «Wieso muss immer das Negative und das, was nicht klappt, im Vordergrund stehen und nicht die Fülle an Situationskomik, die der Alltag bereithält? Es ist für alle streng. Nehmt es sportlich!» Wenn einer der Buben sie entlarvend frage: «Fahren wir jetzt schwarz, Mama?», oder jemand dezent darauf hinweise, dass das hastig angezogene Traggestell den Jupe eingeklemmt habe und den Blick auf die Unterhose preisgebe, so helfe nur eines: sich aufrichten – und es mit Humor nehmen.
*Die Stiftung Theodora wurde 1993 gegründet. Sie verfolgt das Ziel, das Leiden von Kindern in Spitälern und spezialisierten Institutionen durch Freude und Lachen zu lindern. So besuchen allein in der Schweiz jede Woche 70 Profi-Artisten 34 Spitäler und 25 Institutionen für Kinder mit Behinderung. Die Stiftung ist in sieben weiteren Ländern aktiv und finanziert sich durch Spenden.
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