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Nuggi im Mund, Tablet in der Hand

Die Medienkonsum-Debatte beginnt nicht erst in der Schule. 7 Tipps von Medienkompetenz-Experte Michael In Albon für Eltern kleinerer Kinder.
Kooperation
19 Mai 2017
Illustration — CinCin

I wott iPäd! iPäd! Die Kinder sind noch klein, das Gestürm über Tablet- und TV-Nutzung aber schon gross. Die Diskussionen rund um das Thema digitale Medien begleitet heute bereits Eltern von 2-Jährigen – und setzt sich bis ins Teenageralter fort. Viele Eltern gehören noch zu den Digital Immigrants, sind also selber nicht mit digitalen Medien aufgewachsen, und entsprechend aufgrund fehlender eigener Erfahrung extrem gefordert. Neben den Fragen, die sich in der digitalen Welt für unsere Kinder stellen, gilt es auch, unser eigenes Medienverhalten zu hinterfragen. Hier ein kleiner Leitfaden mit Fokus aufs Vorschulalter.

Michael In Albon ist Medienkompetenzexperte und Jugendmedienschutz-Beauftragter der Swisscom. Seit sieben Jahren engagiert sich die Swisscom in diesem Bereich und bietet unter anderem Workshops für Eltern und Lehrpersonen an und vermittelt auf der umfangreichen Website Medienstark viele Tipps für Familien. Michael In Albon weiss um die Sorgen von Eltern im Umgang mit den neuen Medien: «Am meisten wünschen sich Eltern ein Gerät oder eine App, die macht, dass die Kinder im Netz sicher sind.» Die Unsicherheiten beginnen nicht erst in der Schule. Laut einer deutschen Studie beschäftigen sich bereits 4- bis 5-jährige Kinder täglich im Durchschnitt 52 Minuten vor dem TV. Dazu kommen 10 Minuten Spielen auf Konsolen oder Tablets (miniKIM, 2014).

Die Eltern sind auch am Handy Vorbilder

«Die kritischen Punkte sind seit mehreren Jahren die gleichen. Eltern äussern Sorgen rund um die Themen Datenschutz, Privacy, illegaler Content und ihrer eigenen Vorbildrolle.» Gerade die Vorbildfunktion ist sehr relevant für Kinder bis ca. 12 Jahre. «Für kleinere Kinder sind die Eltern die Helden, deren Verhalten intuitiv kopiert wird.» Wenn also die Kinder ständig nach den digitalen Begleitern fragen, ist es angebracht, zuerst den eigenen Medienkonsum anzuschauen. Den Kindern gehts dabei nicht anders als uns Erwachsenen. So hat bei den 4- bis 5-Jährigen das Fernsehen die höchste Bindungskraft unter allen Medien. 53 Prozent könnten gemäss ihren Eltern am wenigsten auf den TV verzichten, 27 Prozent auf Bücher (miniKIM, 2014)

Michael In Albon ist selber Vater von zwei Buben im Alter von sieben und neun Jahren. Er kennt also den Spagat zwischen den guten Vorsätzen und der Realität des Alltags aus eigener Erfahrung. Seine erprobten Insider-Tipps für den Medienumgang im Leben mit kleinen Kindern:

  • Beobachtung geht vor – Richtlinien wie die 3-6-9-12-Regel (kein Fernsehen unter 3 Jahren, keine eigene Spielkonsole vor 6; Internet erst ab 9 und soziale Netzwerke ab 12) sind hilfreich. Es ist aber wichtig, Regeln nicht nur über das Alter definieren, da Kinder unterschiedlich auf gewisse Inhalte/Techniken reagieren. Darum: das eigene Kind beobachten. Wie reagiert es auf das Blaulicht der Bildschirme, das den Schlaf stören kann? Welche Inhalte lösen beim Kind Angst aus? Kann das Kind nach der definierten Dauer gut abschalten oder nicht? Diese Anhaltspunkte sind höher zu gewichten als generische Vorgaben.
  • Dialog statt Befehl – Gemeinsam Bildschirmzeiten festlegen und dann durchziehen.
  • Ausnahmen bestätigen die Regel – Ausnahmen von den festgelegten Regeln ermöglichen, wenn diese deklariert sind (z.B. Kind  ist krank, die ganze Familie macht einen Regenwetter-Kino-Nachmittag).
  • Die digitale Nanny: Wenn, dann gezielt einsetzen – Für kleine Kinder wird auf vielen Ratgeberseiten empfohlen, digitale Medien nur in Begleitung  zu nutzen. Das ist gut, aber nicht immer realistisch. Vielen Eltern dient der TV oder das Tablet als digitaler Babysitter, um einmal ein wichtiges Telefonat zu machen oder einfach mal in Ruhe einen Kaffee zu trinken. Statt sich in solchen Situationen ständig ein schlechtes Gewissen zu machen: diese Momente kurz halten, vorher klären, was geschaut wird und nach der Mediennutzung bei den Kindern nachfragen, was ihnen gefallen hat oder ob etwas Besonderes vorgefallen ist. Sehr praktisch, wenn Kinder unbegleitet am Tablet sind: Die Kindersicherung fürs iPad. Andrea Jansen hat auf Ihrem Blog anyworkingmom.ch ein super Tutorial zusammengestellt, wie man das installiert.
  • Filtersoftware nutzen – Filtersoftware ist sinnvoll für Kinder bis ca. 12 Jahre – hier gibt es eine Übersicht zum Thema. Technik-affine Kids schaffen es danach aber häufig, die Software zu umgehen, dann helfen nur noch Wertediskussionen, Absprachen und Vertrauen.
  • Was gilt auswärts? – Sobald die Kinder ins Alter des steigenden Gruppendrucks kommen: definieren, welche Regeln zuhause und auswärts gelten, z.B. bei den Kollegen keine Games spielen, welche sie zuhause nicht haben oder auswärts nicht gamen, wenn das Medienzeitbudget aufgebraucht ist.
  • Dranbleiben – Wir als Eltern müssen uns mit den Techniken und Themen auseinandersetzen – erst recht, wenn wir sie nicht kennen. Wieso ist eine Technik oder ein Inhalt für Kinder attraktiv? Wie funktioniert das Game oder die App? Gemäss Michael In Albon manifestiert sich hier auch ein Teil des normalen Generationenkonflikts, den es immer schon gab. Dieses Potenzial gelte es aber auch zu nutzen: In der Rolle des Instruktors oder der Instruktorin den Eltern eine App oder ein Game zu erklären, stärkt das Selbstwertgefühl.

Bei aller Sorge sollten die Eltern aber wissen, wie die Prioritäten ihrer Kinder wirklich liegen: So ist die liebste Beschäftigung von 4- bis 5-Jährigen mit Abstand, draussen zu spielen. Fernsehen folgt erst an vierter Stelle, nach drinnen Spielen und sich mit Freunden zu treffen (miniKIM, 2014)

Hier gibts weitere hilfreiche Tipps

Eine umfangreiche Sammlung an Tipps für Kinder im Vorschulalter bietet die Stiftung Jugend und Medien. Auch Elternet bietet viele Infos, z.B. gute Ideen zur aktiven Mediennutzung. Und der Blog Screenfreeparenting enthält viele Tipps für den bewussten Umgang mit Medien, z.B. dieser Post über bildschirmfreie Unterhaltungsmöglichkeiten im Auto.

Welchen Herausforderungen begegnet ihr im Umgang mit TV, Smartphone und PC? Welche Regeln gibt es bei euch – und welche funktionieren auch?

Dieser Beitrag entstand in Kooperation mit dem Museum für Kommunikation in Bern – www.mfk.ch