«Wir haben uns getrennt.» Was erwidern wir auf diesen Satz? Allenfalls kriegen einige noch ein «das tut mir aber leid» hin, obschon eine Trennung ja kein Todesfall ist und keine Krankheit. Aber was soll man denn sonst sagen?
Trennungen sind zwar sehr häufig, die Zahl der Scheidungen hat in den letzten 40 Jahren stark zugenommen, und fast die Hälfte aller Verheirateten lässt sich scheiden. Trotzdem haben wir als Gesellschaft keinen offenen Umgang damit und behandeln das Auseinandergehen einer Partnerschaft oft genug noch wie ein Scheitern – oder schweigen am liebsten ganz darüber.
Dieses Schweigen wollen wir brechen. Wenn euch das nächste Mal jemand von einer Trennung erzählt, sagt bitte nicht: «Das tut mir leid», weil dies nur das Gefühl des «Gescheitertseins» verstärkt. Sagt lieber: «Magst du davon erzählen, oder lieber nicht?» Und dann erkundigt euch bald wieder nach dem Wohlergehen der Familie. Wer weiss, vielleicht hat auch euer Bekannter oder eure Kollegin die Trennung als Befreiung empfunden. Einfach ist es trotzdem nie. Darüber reden aber hilft immer.
Die folgenden individuellen Erfahrungsberichte sind naturgemäss einseitig – sie geben eine subjektive Perspektive auf eine gemeinsame Geschichte wieder, auf die es natürlich auch eine andere Sicht gibt.
«Wenn der erste Schritt erst mal getan ist, zeigen sich ganz neue Wege»
Nina, 39, zwei Kinder (4 und 7 Jahre), arbeitet in einem 60-Prozent-Pensum, lebt seit gut einem Jahr getrennt und teilt sich die Betreuung der Kinder praktisch zur Hälfte mit dem Vater.
Es gab keinen Schlüsselmoment in dem Sinne, doch die Indizien mehrten sich. Das war ein langsamer, schleichender Prozess über zwei Jahre. Es gab immer wieder gute und hoffnungsvolle Zeiten, dann folgten wieder Enttäuschung und Ernüchterung. Der Gedanke an eine Trennung war anfangs ein Flüchtiger, der mich kurz berührte, aber sofort wieder als unrealistisch und ungewollt taxiert davonflog. Doch er kam wieder und blieb länger. Er wurde konkreter, realistischer. Er verlor an Schock und Traurigkeit, versprach sogar Erleichterung, Entspannung. Irgendwann in dieser Zeit fiel wohl meine Entscheidung. Selbst wenn mein Ex-Partner es gewollt hätte, er hätte sie vermutlich nicht mehr ändern können. In mir war diese Absicht gereift wie eine Frucht, die nun geerntet werden wollte. Der Umzug in eine grössere Wohnung sowie eine Paartherapie waren die letzten Hoffnungsfunken in unserer Beziehung. Als mein Ex-Partner die Therapie nach nur wenigen Sitzungen abbrach und auch sonst kein Bekenntnis zu Veränderungen kam, waren es «nur» noch die paar Worte, die ausgesprochen werden mussten.
Die Paartherapie auf jeden Fall. Ohne die Bereitschaft beider Partner, an der Beziehung und an sich arbeiten zu wollen, kann zwar auch die beste Therapie eine Partnerschaft nicht retten. Aber auch so war sie für mich schlüssig, selbst wenn sie kurz war.
Geholfen haben mir persönlich Coachings zur Wahrnehmung, Stärkung und Durchsetzung meiner eigenen Bedürfnisse. Zeit für mich (Ferien in einem Kloster), ein Rückzugsort (die leerstehende Wohnung einer Freundin, die Mansarde einer Nachbarin), um wieder zu «lernen» alleine zu sein, aber auch um zu merken, dass ich es noch kann, und es sich richtig und auch noch gut anfühlt. Ausflüge, Ferien, Wochenende alleine mit den Kindern. Sozusagen als «Trockenübung» für die Zukunft. Viele Gespräche mit verständnisvollen und vor allem geduldigen Menschen. Menschen, die mich seit langem kennen und deren Ehrlichkeit ich mir gewiss bin. Zeit, Zeit, Zeit, Mut, Vertrauen und Offenheit für das, was nachher kommt.
Die Ängste und die Unsicherheit, was ein Leben alleine (und) mit Kindern, aber ohne Partner angeht, die existenziellen Sorgen, sich ein komplett neues Leben aufzubauen, eine neue Wohnung zu suchen, was andere Leute über mich denken und sagen würden etc. Nur schon der Gedanke daran blockierte mich während langer Zeit. Diese Hürde zu überwinden, war sehr schwierig. Im Nachhinein stellte es sich jedoch als einfacher heraus als befürchtet. Wenn der erste Schritt erst mal getan ist, die Hürde übersprungen ist, zeigen sich ganz neue Wege.
Die Trennung vom Lebensgefährten ist auch eine Trennung von den Kindern. Das muss man sich bewusst sein. Eigentlich will man sich ja nur vom Partner oder der Partnerin trennen, aber man kappt auch einen Teil der Verbindung zu den Kindern. Es gibt Tage, das siehst du deine Kinder nicht, du weisst nicht, ob sie einen schönen Tag hatten, du weisst nicht, ob sie gesund sind, was sie erlebt haben, was sie gelernt haben. Du kannst zwar anrufen, aber musst dabei spüren und akzeptieren, dass sie nun in der «Vaterwelt» leben, zu der du nicht dazugehörst. Wenn du sie wieder siehst, ist das Erlebte Vergangenheit. Der Moment ist gelebt und kommt nicht mehr wieder. Das Gefühl, nicht dabei gewesen zu sein, den Verlust der Kinder – das habe ich unterschätzt. Die Sehnsucht und der Wunsch mich zu trennen waren grösser. Unweigerlich habe ich ein schlechtes Gewissen, immer wieder. Was mich überrascht hat, ist das Schweigen einiger, nicht nahestehender, aber dennoch kollegial verbundener Menschen. Kein Nachfragen, keine Anteilnahme, keine Geste des Mitgefühls, als wäre es ihnen unangenehm, dieses Thema anzusprechen – bis heute.
«Mittlerweile sind Leben und Alltag bei uns beiden stimmiger als vor der Trennung»
Karin Hänzi (44); zwei Kinder (9 und 5 Jahre); getrennt seit Oktober 2019, geschieden seit Januar 2021; seit Juni 2020 in einer neuen Beziehung; Arbeitspensum zwischen 60 und 80 %, je nach Auftragslage; geteiltes Sorgerecht mit hälftig aufgeteilter Betreuung über jeweils zwei Wochen (fixe Päpu-/Mama-Wochentage, Wochenenden abwechslungsweise).
Dass wir uns in zahlreichen Mustern und einer Handvoll unterschiedlicher Ansichten verfangen hatten, war schon länger klar. Die letzten eineinhalb Jahre war unser Zusammensein ein einziges Hin und Her zwischen «so kann es nicht weitergehen» und «aues henne guet u schön». Immer, wenn wir dachten, wir hätten die Kurve gekriegt, kam das nächste grosse Gstürm um die Ecke. Bis irgendwann im September 2019 jener Streit vom Zaun brach, nach welchem es für mich kein Zurück mehr gab. Danach ging es für mich nur noch darum, einen einigermassen klaren Kopf zu kriegen, um die Sache auch tatsächlich durchziehen zu können.
Ich hatte ein knappes Jahr vor der Trennung für Oktober 2019 eine Surf- und Yoga-Woche in Portugal gebucht. Was eine Retraite mit meiner Geschäftspartnerin hätte werden sollen, war am Ende jene Woche, in der ich Abstand nehmen und Anlauf holen konnte, um zurück zuhause unser Leben auf den Kopf zu stellen. Neben der Rückendeckung und Unterstützung meiner liebsten Menschen war die Klarheit, die ich aus dieser Woche mitnehmen konnte, in diesem Moment das Wichtigste für mich. Im Umgang mit den Kindern empfand ich entsprechende Bücher aus der Bibliothek und eine ehrliche Kommunikation am hilfreichsten. Jetzt wiederum, quasi im Nachgang, bin ich dankbar für meine Therapeutin. Einerseits ist unseren Gesprächen schon das eine oder andere Muster zum Opfer gefallen, andererseits lässt sie mich nach und nach verstehen, wie es mit unserer Ehe überhaupt so weit kommen konnte.
Die Scheidung Anfang dieses Jahres war einvernehmlich, die Trennung jedoch ging nur von mir aus. So noch fünf Monate unter einem Dach zu leben, hat uns phasenweise an unsere Grenzen gebracht. Viele Emotionen, viele Kränkungen, viele Vorwürfe. Die räumliche Trennung im März 2020 war darum eine grosse Erleichterung und hat vieles entspannt. Inzwischen geht unser Umgang die allermeiste Zeit sachlich, oft sogar sehr freundschaftlich vonstatten. Vielleicht auch deshalb, weil Leben und Alltag mittlerweile bei beiden stimmiger sind als vor der Trennung.
Vor der Trennung: Wie fest und wie lange man sich selbst mit Einwänden wie «aber das Geld, aber die Kinder» wider besseren Wissens zurückhält, sprich, wie sehr uns ebendies durch entsprechende Sozialisierung im Blut liegt, obwohl wir es doch eigentlich besser wissen müssten. Den Kindern zuliebe zusammen zu bleiben, ist nichts, was ihnen hilft geschweige denn gut tut. Das Geld wiederum fällt viel weniger ins Gewicht als befürchtet. Allerdings haben wir schon immer beide je für unseren eigenen Lebensunterhalt gesorgt und die gemeinsamen Ausgaben wie Einkauf, Steuern und Kinderbetreuung über ein gemeinsames Konto gehandhabt. So fallen verglichen mit vorher abgesehen vom Mehr an Mietkosten kaum zusätzliche Ausgaben an. In meinem Fall schlägt sich das Mietplus in einem eingeschränkten Ferienbudget nieder, womit ich tipptopp leben kann.
Nach der Trennung: Wie sehr auch heute noch getuschelt und verurteilt wird, wenn die Mutter diejenige ist, die den Schlussstrich zieht.
Aber auch: Wie sehr ich mir in den Jahren vor der Trennung abhanden gekommen war und wie viel lieber ich mich mag, jetzt, da ich wieder mich selbst bin.
«Ein Kind ist nie Kitt, ein Kind ist ein Erdbeben»
Sven (43), freischaffender Fotograf und Vater eines Kindes (11), lebt in einer neuen Beziehung mit Bonuskind und teilt sich die Betreuung seines Sohnes mit seiner ebenfalls freischaffenden Ex-Partnerin nach Möglichkeit, aber mit dem Ziel, dass das Kind am Ende Jahres gleichviel Zeit bei beiden verbracht hat.
Für mich musste etwas Welterschütterndes passieren, bis ich begriff, dass diese Beziehung keine Chance mehr hat. Das Fass zum Überlaufen brachte der Moment, als bei meinem Vater ein Tumor diagnostiziert wurde und meine damalige Partnerin mir quasi gleichzeitig erzählte, dass sie sich ein weiteres Mal wieder verliebt habe. Ich merkte sofort, dass ich die Energie dafür nicht noch einmal haben würde. Nach dem extrem kurzen Krankheitsverlauf und Tod meines Vaters wurde mir schlagartig bewusst, dass ich mich nun um meine Mutter und diesen Teil meiner Familie würde kümmern müssen. Wenn ich ehrlich bin, hätte ich mich schon viel früher trennen müssen. Ich war der ewige Optimist und dachte immer, das kriegen wir hin. Ich hatte auch lange das Gefühl, ich wolle «meinen Mann stehen» und meine Verantwortung als Vater und Partner übernehmen. Der Tod meines eigenen Vaters hat mich bis zu einem gewissen Teil auch von dieser Verantwortung befreit. Auch wenn es unglaublich traurig war: Von dem Moment an, als er nicht mehr da war, habe ich festgestellt, was es wirklich bedeutet, Verantwortung zu übernehmen: für meine Mutter dazusein, für meinen Sohn dazusein. Das andere – eine serbelnde Beziehung, in der wir beide unglücklich sind, künstlich am Leben zu erhalten, war falsch verstandene Verantwortung.
Sehr geholfen hat mir immer das Gespräch mit Freunden, auch wenn es manchmal schmerzhaft war, weil sie teilweise schon lange nicht mehr verstanden, was mich noch bei dieser Frau hielt. Auch der Besuch bei einer Bekannten von mir, die mediale Fähigkeiten hat, war sehr hilfreich. Das klingt jetzt ziemlich esoterisch, aber ich wusste, dass ich auf diesem Weg meine Partnerin, die sehr offen ist für solche Themen, besser erreichen würde. Dort habe ich dann aber letztlich vor allem gelernt, mich selber zu erden und mich zu finden. Nach der Trennung habe ich zudem stark an meiner Wut gearbeitet. Ich bin in der Beziehung mehrmals an meine Grenzen gekommen. Diese Seite hatte ich von mir – abseits vom Boxen, das ich als Sport betreibe – überhaupt nicht gekannt! Deshalb war ich bei einem Psychotherapeuten. Dabei habe ich die ganze Geschichte aufgearbeitet. Das war extrem hilfreich. Auch einmal zu hören, dass es ok ist, wütend zu sein, und ich als Mann nicht einfach falsch oder aggressiv bin, sondern sich so meine Überforderung zeigte. Er gab mir ausserdem Hilfestellungen zur Hand, was ich tun kann, wenn ich wieder in so eine Situation kommen sollte.
Den Moment zu definieren, wann die Zeit zum Gehen ist. Herauszufinden: Wann ist genug? Wenn man zusammen ein Kind hat, kann es kein fixes Ende der Beziehung geben, da die Beziehung des anderen Elternteils zum Kind immer fortbesteht. Deshalb zieht das Ende extreme Fäden. Ich sagte mir zudem: Du musst einfach die Zähne zusammenbeissen! Und als ewiger Optimist dachte ich auch immer, dass wir eine Lösung finden, dass das einfach eine Krise ist, die wir überwinden müssen. Das Schwierigste ist da meiner Meinung nach, zu spüren, ob sich die Arbeit zusammen noch lohnt – oder ob es vielleicht einfach zu spät ist, ob zu viel kaputt ist, wir uns als Menschen so stark verändert haben oder einfach schlicht nicht zusammen passen.
Die riesige Befreiung, die ich erlebte, als ich wieder eine eigene Wohnung hatte, mit einem Zimmer für mein Kind. Ich spürte förmlich, wie sich mein Rückgrat streckte und ich mich wieder frei und bei mir selber fühlte. Ich freute mich auch so auf meine Zeit mit meinem Kind, weil es mir alles bedeutet – im Gegensatz zu meiner Ex, die ich damals auf den Mond hätte schiessen können. Getrennt leben bietet je nach Abmachung ein unglaubliches Privileg: Wenn das Kind beim Partner ist, hat man wirklich richtig kinderfreie Zeit. Richtig viel Zeit für sich selber! In einer Beziehung kann es dabei oft zu regelrechten Kämpfen kommen und man fühlt sich schlecht, wenn man das einfordert, weil man all die Arbeit sieht, mit der man den Partner zurücklässt. Aber das Privileg hat man natürlich nur, wenn man sich die Kinderbetreuung teilt. Und man muss schon wissen: So befreiend die Trennung auch für mich war, so belastend war sie für unser Kind, und das tat mir auch schon oft weh. Das hat mich nicht überrascht. Aber diese Diskrepanz war manchmal schwer auszuhalten – ich, der sich wieder frei fühlte, und mein Sohn, der darunter litt, dass er seine beiden Elternteile nicht mehr gleichzeitig hat.
Ich glaube, dass wir in unserer Gesellschaft überhaupt keine Ahnung haben, was es bedeutet, Familie zu haben – bevor wir sie dann haben. Dass eine Familie zu gründen in erster Linie einfach Arbeit ist und es viel Stress geben wird, dass man ein Team bilden muss: Das wird meiner Meinung nach zu wenig weitergegeben. Deshalb habe ich es mir ein wenig zur Aufgabe gemacht, das auch privat zu teilen. Wir sollten dieses überromantisierte Bild der Familie begraben – und uns stattdessen richtig darauf vorbereiten. Nicht indem wir Bücher lesen, sondern indem wir mehr Zeit mit Familien verbringen, bevor wir selber Kinder haben.
Und zuletzt sage ich auch immer: Macht nie ein Kind aus dem Gedanken heraus, es könnte eure Beziehung heilen oder euch stärker verbinden. Ein Kind ist nie Kitt, ein Kind ist ein Erdbeben. Haarrisse in der Beziehung werden durch ein Kind zu Rissen, Risse werden zu Spalten, Spalten werden zu Gräben. Das habe ich selber zu spät erkannt und mich dann getrennt. Das Kind kann nichts dafür, sondern ist das grösste Geschenk, das aus dieser Beziehung gewachsen ist – und trotzdem spürt genau es die Konsequenzen am meisten.
In den kommenden Wochen planen wir weitere Beiträge zum Thema Trennung, insbesondere auch Adressen und Tipps für gute Ressourcen. Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Was hättet ihr gerne vorher gewusst? Teilt euer Wissen in den Kommentaren, wir freuen uns über jede Anregung.