Wer sein Kind von Anfang an ab und zu ohne Windeln lässt, spart Geld, Müll und eine Menge Aufwand. Jamuna Schläfli, Mutter eines dreijährigen Sohnes, hats bereits in der Babyzeit ausprobiert und uns von ihren Erfahrungen erzählt. Im Interview gibt sie Tipps für Einsteiger.
Windelfrei klingt für die meisten jungen Eltern unmöglich. Wie bist du dazu gekommen?
Ich habe erst davon gehört, als mein Sohn vier Monate alt war. Beim Wickeln kam es oft vor, dass er sofort nach Ausziehen der Windel pinkelte, das fand ich erstaunlich und habe online dazu recherchiert. Im Deutschen spricht man von «windelfrei», ich finde den englischen Ausdruck passender, «elimination communication», denn darum geht es eigentlich, um Kommunikation. Bisi und Gagi zu machen ist uns von Anfang an ein Bedürfnis wie Essen und Trinken – Anzeichen von Hunger und Durst versuchen wir schon ganz früh bei unseren Kindern wahrzunehmen, und ähnlich kann man es auch mit dem Ausscheidungsbedürfnis machen. Viele Neugeborene geben bestimmte Laute von sich oder ranggen», wenn sie müssen. Wenn Eltern diese Zeichen wahrnehmen und entsprechend darauf reagieren, lernen Kinder von Geburt an immer besser, ihre Bedürfnisse zu kommunizieren. Gehen die Zeichen ins Leere, hört der Säugling bald damit auf.
«Anzeichen von Hunger und Durst versuchen wir schon ganz früh bei unseren Kindern wahrzunehmen, und ähnlich kann man es auch mit dem Ausscheidungsbedürfnis machen.»
Woran hast du erkannt, dass dein Bébé pinkeln musste?
Mein Sohn war mit vier Monaten in Windeln schon über die Zeichenphase hinaus. Ich habe deshalb bei den sogenannten Standartsituationen angefangen: Nach dem Aufwachen, Trinken, vor dem Einschlafen habe ich ihn abgehalten, übers Waschbecken oder WC, und überraschenderweise kam meistens etwas. Man kann das unterstützen, indem man dazu ein Geräusch macht wie «bsss», als Hinweis: «Du kannst loslassen». Dann habe ich ihn öfter nackt sein lassen in der Wohnung, ihn beobachtet und gelernt, welche der Standartsituationen für uns am besten funktionierten. Dazwischen hatte er auch immer wieder Windeln an – es war also nicht windelfrei bei uns, aber zunehmend «elimination communication».
Du musstest früh wieder arbeiten gehen. Die Betreuungspersonen waren wahrscheinlich nicht begeistert.
Sowohl der Papa als auch die Grosseltern hielten mein Vorgehen anfangs für einen Spleen. Mein Freund hat dann aber gesehen, dass es funktionierte, und hat auch angefangen, den Kleinen abzuhalten, wenn Gelegenheit dazu war. Den Grosseltern habe ich es offen gelassen: Ich habe ihnen erklärt, wie ich das machte, sie konnten es aber halten, wie sie wollten – mit oder ohne Windeln. Morgens und abends habe ich abgehalten. Das hat gut funktioniert.
«Überall dort, wo ein Hund pinkeln kann, kann auch ein Baby pinkeln.»
Und wenn ihr unterwegs wart?
Ich habe dann noch eine Windelfrei-Beratung gemacht, und davon ist mir vor allem dieser Satz geblieben: Überall dort, wo ein Hund pinkeln kann, kann auch ein Baby pinkeln. Es brauchte anfangs ein bisschen Mut, aber ich habe mich daran gehalten, und vor allem in der warmen Jahreszeit war das kein Problem – einfach keine Bodys mehr anziehen, dann ist man schneller. Wichtig scheint mir, das Ganze ohne Druck anzugehen und keinesfalls dogmatisch; wir haben abgehalten, wenn es gut in unseren Alltag gepasst hat, und wir haben Windeln benutzt, wenn es eben gerade nicht anders ging. Das hat unseren Windelverbrauch erheblich reduziert und uns als Familie geholfen, mit Bisi und Gagi einen entspannten Umgang zu finden. Wenn mal etwas daneben geht, ist das nicht ein «Unfall», sondern einfach eine nasse Hose – Bébés spucken ja auch oft, ohne dass wir jedesmal ein Drama daraus machen. Und Ersatzkleider hat man sowieso am besten immer dabei. Klar, Milchstuhl lässt sich nicht einfach Robidog-Style aufwischen. Wer mag, kann ein kleines Töpfchen mitnehmen. Aber Gagi funktioniert bei den meisten von Anfgang an gut beim Abhalten und geht selten daneben. Darum reduziert sich der Wickelaufwand auch so enorm.
«Wichtig scheint mir, das Ganze ohne Druck anzugehen und keinesfalls dogmatisch; wir haben abgehalten, wenn es gut in unseren Alltag gepasst hat.»
Wann war eure Windelzeit defintiv vorbei?
Nach dem ersten Geburtstag begann eine Phase, während der mein Sohn sich weder abhalten noch wickeln lassen wollte – er wollte nun alles selber bestimmen. Damals bin ich auf die Webseite von Andrea Olson gestossen, und ihr Buch hat uns enorm geholfen. Olson ermutigt uns, unseren Babys und kleinen Kindern schon früh zuzutrauen, dass sie ihr Ausscheidungsbedürfnis wahrnehmen und auch kommunizieren können. Sie rät, einige Tage lang mit dem Kind zu üben, wo Bisi und Gagi hingehören – ohne Druck, als Angebot, gemeinsam zu lernen. Mit unserem Sohn hat das sehr gut funktioniert, und da wir schon früh mit «elimination communication» begonnen hatten, konnten wir den Windeln sehr bald Lebewohl sagen. Einzig in der Nacht waren sie noch in Gebrauch bis nach dem zweiten Geburtstag, auch wenn sie meistens trocken blieben – hier eignen sich übrigens Stoffwindeln sehr gut.
«Wir Eltern sollten flexibel sein, uns nicht zuviel vornehmen und auch mal bereit sein, Pläne zu revidieren, wenn sich etwas nicht bewährt.»
Apropos Stoffwindeln: Auf Bébés ohne Windeln trifft man fast nur in Attachment-Parenting-Kreisen. Stillen, Tragen, Familienbett, Windelfrei – brauchts das volle Programm ?
Tatsächlich ist es einfacher, die Zeichen seines Kindes auch in der Nacht wahrzunehmen, wenn es im selben Zimmer schläft. Und ja, die meisten Bébés werden in der Tragehilfe plötzlich unruhig, wenn sie mal müssen, was den Eltern sogleich zeigt, dass sie ihr Kind abhalten sollten. Es geht bei «elimination communication» um Aufmerksamkeit, Achtsamkeit, Bedürfnisorientierung. Aber man kann sicher auch anders schlafen und vorwärts kommen ohne Windeln. Wir Eltern sollten flexibel sein, uns nicht zuviel vornehmen und auch mal bereit sein, Pläne zu revidieren, wenn sich etwas nicht bewährt. Und den Mut und die Lust haben, auszuprobieren!
Auch wir Kleinstädterinnen haben die Vorzüge der Windelfreiheit schnell schätzen gelernt – Evas Zwillinge wollten schon früh von sich aus keine Windeln mehr tragen, Sarah hat ihrem zweiten Sohn von Geburt an immer wieder abgehalten und Brunas Sohn war mit zwei Jahren trocken. Doch dazu hier bald mehr, in Teil 2: Windelfreiheit mit Grossen.