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Überlebenstipps von Eltern für Eltern

Ein zweites, drittes Kind ist unterwegs? Ohne Angstmacherei: Es wird streng. Das hätten wir gern vorher gewusst. Ganz viele Tipps.
12 Apr 2019

Hier kommen unsere Tipps im Hinblick auf neue Familienmitglieder. Das alles hilft uns (sofern wir dran denken und nicht zu müde sind dafür). Keine Sorge, wir machen auch nicht alle alles. Das ist einfach eine Sammlung von Dingen, die sich bei einigen von uns bewährt haben, keine Liste, die man abarbeiten muss. Falls jetzt vieles für euch nach Wunschdenken klingt: Einfach mitnehmen, was für euch stimmt. Was bei manchen gut funktioniert, wäre für andere undenkbar.

Ihr habt noch zusätzliche Ideen? Dann unbedingt unten in den Kommentaren teilen – auf dass hier ein richtig gutes Nachschlagewerk entsteht! (Lest hier, warum ihr das vielleicht mal brauchen könntet.)

Gilt immer:

  • Unter Gleichgesinnten einen offenen Umgang mit Problemen pflegen. Vom Scheiss erzählen. Von all dem, was schiefgeht, was man nicht schafft. Damit der soziale Perfektions-Druck etwas nachlässt.
  • An die Durchsage im Flugzeug denken: Ungutes Gefühl, das Kind abzugeben, «nur» weil man mal wieder ins Kino oder in Ruhe einen Apéro trinken möchte? Als Eltern muss man zuallererst mal zu sich schauen. Wie im Flugzeug: Zuerst die eigene Atemmaske aufsetzen, dann für andere sorgen. Dieser Gedanke hilft gegen das schlechte Gewissen, wenn man sich wieder mal was zu gönnen versucht.
  • Hilfe annehmen: Im Wochenbett finden wir es noch ok, Hilfe und gekochte Mahlzeiten anzunehmen. Wir scheuen uns auch nicht, Fachpersonal um Rat zu fragen. Nach sechs Wochen haben wir aber schon den Anspruch, wir müssten das im Griff haben. Wieso sich nicht auch später noch Hilfe holen und die Aussensicht von Fachpersonen in Anspruch nehmen? Wieso nicht dankend annehmen, wenn Fremde mit dem Kinderwagen aus dem Bus helfen? Anstatt das übliche «geit scho, merci» (Subtext: Ich muss das alleine schaffen.)
  • Ansprüche runterschrauben: Natürlich ist es ideal, wenn es immer gesunde und frisch gekochte Mahlzeiten gibt. Natürlich haben wir alle gerne genug saubere Kleider. Natürlich ist es auf Dauer ungemütlich, wenn die Küche überstellt ist. Aber auch mal fünf gerade sein lassen und dem Kind ein Spiel auf dem Handy zumuten, wenn die Eltern dringend eine Pause brauchen. Auswärts essen, zur Not Pommes und Chicken-Nuggets (im Plastikgeschirr, OMG, siehe authentisches Foto oben). Oder eine Pizza bestellen und anstatt gestresst zu kochen einfach gemütlich zusammen auf dem Boden spielen, bis es klingelt. (Dieser Instagram-Post bringt es auf den Punkt.)
  • Instagram meiden. Apropos: Nicht, dass wir es selber könnten, die Bildli-Scrollerei macht ja total süchtig. Und inspiriert auch. Aber bevor ihr ernsthaft glaubt, ihr müsstet mit x kleinen Kindern nun auch noch anfangen, tolle Montessori-Möbel selber zu zimmern und all die gemeinsamen Gartenprojekte müssten so harmonisch verlaufen, wie sie auf diesen Fotos aussehen («Faun-Bénédict, nicht dem Finn-Llouann die Erde ins Gesicht schmeissen!») – Pause von Instagram zumindest erwägen.
  • Alles zu seiner Zeit: Das Mittagessen dann vorbereiten, wenn man gerade Zeit hat am Vormittag. Gemüse schnippeln kann man gut schon am Morgen um 9 Uhr, wenns dann grad passt. So kann man den Stress vor dem Mittagessen minimieren, wenn die Kinder Hunger haben, langsam müde sind und anstrengend werden.
  • Planung schafft Freiraum. Wer einen ungefähren Menüplan aufgeschrieben und für die ganze Woche eingekauft hat, muss sich darum nicht mehr kümmern und hat mehr Zeit und Energie für alles andere. Klingt wahnsinnig uncool und erwachsen, aber es hilft, ehrlich.
  • Me-Time statt Paarzeit: Statt krampfhaft Paarabende einzuschalten, kann es entspannter sein, allein auszugehen, weil man weiss, dass daheim die Mama oder der Papa schaut und nicht eine externe Hüteperson, die vielleicht das Lieblingsschmusetier nicht findet. Und nicht nur mit dem Partner, auch bei einem Abend mit Freunden kann man gut auftanken.
  • Ein Wochenende allein einschalten. Noch grösser ist natürlich der Erholungseffekt bei einem ganzen Wochenende allein — wenns von der Betreuung her irgendwie einzurichten ist. Am besten an einem stillen und friedlichen Ort, wo man weder kochen, einkaufen, kommunizieren, noch aufräumen muss. Das kann sehr erholsam sein, schafft etwas Distanz zum Familienalltag und gibt Luft zum Durchatmen, Entspannen und neue Energie tanken.
  • Besser zu früh als zu spät an Profis wenden: Schlafberaterinnen, Stillberaterinnen, Familienbegleiterinnen, Paartherapeutinnen – sie kennen genau das, was wir gerade durchmachen. Und sie helfen, mit konkreten Tipps, aber auch schon mit stärkenden Worten. Das ist einfacher, wenn wir uns früh genug an sie wenden, also bevor alle ausgebrannt sind.

Vor allem vor der Geburt:

  • Für schwierige Zeiten ein Support-Netzwerk anlegen. Beispielsweise eine WhatsApp-Gruppe mit Freunden und/oder Familienmitgliedern und/oder Nachbarn, die sich untereinander gewisse Abende aufteilen. Die schöne Erfahrung von Anja: «Jedes Mal kam jemand und hat gekocht, abgewaschen, den Säugling betreut, damit ich den Grossen ins Bett bringen konnte. Schöner Nebeneffekt: Man sieht seine Freunde plötzlich viel häufiger!»
  • Verschiedene Trage-/Transportmöglichkeiten für die Kinder zulegen. In eine Trageberatung und dann in eine qualitativ gute Trage investieren (kann natürlich auch ein Tragetuch sein). Rückentragen kann zeitweise vieles erleichtern. Auch das Dondolo ist für viele Familien Gold wert – man kann gut mit dem Kleinkind spielen und daneben das Baby im Dondolo schaukeln. Und bei kleinem Abstand der Kinder ist ein Wagen hilfreich, in dem man beide Kinder gleichzeitig transportieren kann, sei es im Sitz oder mit Trittbrett. Und wenn möglich noch ein ein Trotti/Velo dazu.
  •  Freiräume einplanen: Vor der Geburt die Fremdbetreuung regeln und grosszügig planen. Wenn es irgendwie drinliegt und möglich ist: Lieber einen halben Kita-Tag mehr und höhere Fixkosten, als am Abend nachdem die Kinder schlafen noch ganz viele To Dos zu haben.

Mit frisch geschlüpftem Baby:

  • Volle Konzentration in der Rush Hour. Für den arbeitenden Partner in der Anfangszeit: Wenn das Baby da ist, unbedingt am Abend früher zu Hause sein. Man kann dann gerne um 20 oder 21 Uhr wieder arbeiten, falls es noch sein muss. Bei vielen Familien ist die Zeit zwischen 18 und 20 Uhr abends «Rush Hour». Dann bitte keine Anrufe und volle Konzentration auf die Kinder. Alle sind müde und hungrig, inklusive Eltern.
  • Verwandte einspannen: Die Grosseltern, aber auch alleinstehende Tanten, Göttis, Geschwister ohne eigene Kinder sind häufig gern bereit, zu helfen – man muss sie einfach ohne Zögern anfragen. Man merkt jeweils schnell, ob es klappt oder nicht. Milenas schöne Erfahrung: «Meine Gotte ist beispielsweise selber kinderlos, hat aber einen super Draht zu Kindern und liebt Babys. Sie hat meine Kinder mehrmals 1-3 Stunden gehütet z. B. für Coiffeur, Zahnarzt, Sitzung, Kurs zum Überbrücken bis der Papa kommt.»
  • Ab in die Rückbildung. Im Rückbildungskurs hat man einen schönen Austausch mit Frauen, die aktuell in der gleichen Situation sind, und kann das erste Mal üben,  loszulassen (siehe nächster Tipp).
  • Mut zum Loslassen. Gerade beim zweiten Kind lohnt es sich, wenn Mama sich mal einen Ruck gibt. Wenn Mama stillt, ist sie notgedrungen am Anfang immer am häufigsten mit dem Baby zusammen. Je mehr Zeit vergeht, desto schwerer fällt es, das Bébé mal ein paar Stunden den Grosseltern zu überlassen oder die Kita-Eingewöhnung nicht doch noch einen Monat aufzuschieben. Es lohnt sich aber, sich zu überwinden und abzunabeln. Der Moment des Abschieds fällt schwer, aber die kurze Pause, die folgt, ist Gold wert.
  • Das Geschwisterthema früh genug kommen sehen: Auch wenn sich das ältere Kind am Anfang rührend um das Baby kümmert – wähnt euch nicht in falscher Sicherheit. Eifersucht und Rivalität sind früher oder später fast unvermeidlich, besonders, wenn das Baby dann grösser und mobiler wird. Von Beginn weg Inseln zu schaffen für das grössere Kind (räumlich und zeitlich), auch wenn es keinerlei Anzeichen von Eifersucht gibt, kann helfen. Nie vergleichen. Nicht zu früh eingreifen, wenn das grössere Kind dem Kleineren was wegnimmt – für das Baby ist es erstmal eine wertfreie Handlung. Es gibt tolle Bücher zum Thema, die wir gern früher gekannt hätten: «Siblings without rivalry» (Deutsch: «Hilfe, meine Kinder streiten») oder «Geschwister als Team». Beide auch als Hörbücher erhältlich.

Als Paar:

  • Keine Milchbüechli-Rechnung führen. Was später bei Geschwisterstreitigkeiten hilfreich sein wird («Lililoulou hat mehr Dinkelgüezi als ich!»), gilt auch oder gerade in der Paarbeziehung: Jede/r bekommt in dieser Familie, was er/sie braucht. Das ist nicht für alle gleich viel. Einer benötigt mehr, einer weniger Freiraum. Jemand hat mehr, jemand weniger Reserven. Eine will mehr ausgehen, eine andere lieber häufiger daheimbleiben. Die Strichliste – du warst gestern im Ausgang, also darf ich heute – führt schlimmstenfalls zu einem «Race to the bottom», bei dem sich beide unterbieten und niemand gewinnen kann. («Ich gehe nicht, damit du auch nicht gehst.») Einander Freiräume zu gönnen, ist letztlich für alle ein Gewinn.
  • Paarzeit fix einplanen: Wenn es keine Hütemöglichkeiten für ein Date gibt, ist Zweisamkeit trotzdem möglich: Einmal die Woche die Kinder zuerst ins Bett bringen und erst danach in Ruhe zusammen essen und sich austauschen. Das muss nicht das tiefgründigste Gespräch der Welt sein, sondern einfach eins, das nicht alle dreissig Sekunden unterbrochen wird. Wer selbst für das späte Znacht zu müde ist (kennen wir, dann bleibt es Wunschdenken): Zumindest einmal pro Woche für einen gemeinsamen Tee oder ein Glas Wein abmachen. Das zu planen, klingt unromantisch, aber sorry, für Spontaneität sind wir einfach zu erschöpft.
  • Wissen, was kommt: Einmal die Woche oder einmal im Monat zusammen die Agenda durchgehen und wissen, wer wann Dienst hat und wo Lücken sind.
  • Wertschätzung: Immer Merci sagen. «Das Abendessen ist fein.» «Danke für’s Altpapier bündeln.» «Ich bin froh, dass ich dich habe.» Wir wollen euch nicht auch noch mit diesen Studien kommen, aber ehrlich: Es ist erwiesen, dass Dankbarkeit für kleine Dinge glücklicher macht.
  • Bewusste Rituale: Sich richtig und bewusst begrüssen und verabschieden. Zusammen frühstücken. Einander tagsüber anrufen und kurz fragen, wie’s geht. Einander Gutenacht küssen. Das kann sich wie Arbeit anfühlen, besonders, wenn einem der Sinn überhaupt nicht nach Romantik und Geben steht. Aber lieben ist nun mal ein Verb, eine Tätigkeit, kein Zustand.
  • Glas halbvoll: Das Positive gewichten und dankbar sein für das, was gut läuft und was man an einander hat. Sich nicht darauf festfahren, wenn etwas nicht funktioniert oder Erwartungen nicht erfüllt werden. Vielleicht ein wenig viel verlangt, wenns grad sauschwer ist, aber vielleicht hilfts ja schon, das zu lesen.
  • Hautzeit: Wer wenig schläft, will im Bett primär das: Schlafen, und das nicht miteinander. Lust und Nähe können in den ersten Jahren mit Kindern auf der Strecke bleiben. Aber es muss ja nicht immer wilder Sex sein. Zur gleichen Zeit ins Bett gehen, sich vor dem Abdrehen und Einschlummern noch paar Minuten im Arm halten oder mit einander sprechen. Löffelen oder Rücken kraulen. Müde Füsse bisschen massieren. Sich kurz umarmen, wenn man sich zufällig halbnackt im Bad begegnet.
  • Kleine Überraschungen: Aufmerksamkeit gegenüber der Partnerin und dem Partner ist das, was aus Zeitgründen gegenüber früher zu kurz kommt. Umso mehr kann ein Blumenstrauss, ein lang ersehntes Buch oder ein spontanes Zmittag unter der Woche einen Unterschied machen.
  • Mehr Pragmatismus. Für alle, die diese Tipps jetzt mehr unter Druck setzen («Schatz, ich habe in diesem Blog gelesen, dass wir unsere Füsse massieren müssen!»): Es mit Humor nehmen. Akzeptieren, dass es wieder anders kommt. In der Kleinkinderzeit sind wir nun mal mehr Eltern als Paar, und das ist gut so. Es kommen wieder andere Zeiten.

Bitte gern unten im Kommentarfeld eure eigenen Überlebensstrategien ergänzen – wir sind froh um jeden Tipp!